„Der Streik hat uns nicht berücksichtigt„ze

■ Ausländische Studenten fühlen sich bei den Protesten an den Unis als Randerscheinung / Sie haben erheblich größere Schwierigkeiten als ihre deutschen Kommilitonen / Aber viele der ausländischen Studenten wollen politisch nicht in Deutschland aktiv werden

Im Rahmen des Studentenstreiks haben jetzt an der Technischen Universität erstmals auch die ausländischen Studenten ihre Stimme erhoben. In einer Erklärung macht das „Türkische Wissenschafts- und Technologie-Zentrum“ (BTBTM), dem etwa 60 sozialdemokratisch gesinnte türkische TU -Studenten angehören, auf die spezifischen Probleme ausländischer Studenten aufmerksam.

Das BTBTM fordert, daß ausländische Studenten für die gesamte Studienzeit, einschließlich der vorbereitenden Deutsch-Kurse, eine Arbeitserlaubnis erhalten. Viele lebten ohne jegliche finanzielle Unterstützung in Berlin und seien aufs Jobben angewiesen. Außerdem will das BTBTM, daß ausländische Studenten von Anfang an eine Aufenthaltserlaubnis für acht Jahre erhalten. Derzeit müssen sie alle ein bis zwei Jahre ihre Aufenthaltserlaubnis verlängern lassen. Die Ausländerbehörde prüft dann jedes Mal, ob ihre weitere Anwesenheit in Berlin den „Belangen der Bundesrepublik entgegensteht“.

Zu den wichtigsten Forderungen des BTBTM gehören ferner finanzielle Unterstützung für ausländische Studenten, die endgültige Abschaffung der 25-Prozent-Ausländerquote in den studentischen Wohnheimen sowie insgesamt mehr Wohnungsangebote. Was die Studiensituation betrifft, will das BTBTM eine stärkere Berücksichtigung der Sprachprobleme ausländischer Studenten, die Schaffung eines Instituts für interkulturelle Forschung sowie eine qualitative Verbesserung des vorbereitenden Studienkollegs. Ausländische Studenten sollen außerdem bei allen studentischen Aktivitäten beteiligt werden.

„Unsere Situation ist von den Streikaktivitäten nicht berücksichtigt worden“, sagt Kenan Kolat vom BTBTM. Das liege daran, daß sich die deutschen Studenten nicht in Probleme der Ausländer hineinversetzen könnten. Andererseits aber wäre das politische Bewußtsein der ausländischen Studenten auf Protestaktionen noch nicht vorbereitet gewesen. „Weil sich die ausländischen Studenten mit soviel primitiveren Schwierigkeiten herumschlagen müssen als die Deutschen, etwa Sprachprobleme oder die Suche nach einem Job, haben sie oft gar keine Zeit, ihre Situation zu reflektieren. Deshalb liefen sie im Streik immer nur hinterher.“ - „Den ausländischen Studenten ist oft gar nicht bewußt, welche wirtschaftliche Rolle sie für die Interessen der Bundesrepublik spielten“, sagt Kolat. „Die Bundesregierung betont, pro ausländischem Studenten 8.000 Mark im Jahr zu zahlen. Dabei ist das eine reine Investition. Denn wir sind, wenn wir in unsere Heimatländer zurückkehren, die Wirtschaftspartner der Bundesrepublik von morgen.“

Auf drei Ausländer-Vollversammlungen ist es nicht gelungen, eine gemeinsame Plattform zu erstellen. Von insgesamt 4.519 ausländischen Studenten an der TU sind 840 türkischer Herkunft. Kenan Kolat sagt, daß die türkischen noch am aktivsten am Streik beteiligt gewesen seien. „Das liegt daran, daß die anderen eine stärkere Heimatbindung haben als wir. Sie wollen hier lediglich ihr Studium absolvieren und dann so schnell wie möglich wieder nach Hause. Die politischen Verhältnisse in Deutschland interessieren sie nicht. Unter den Türken jedoch sind viele hier aufgewachsen.“

Mit der Erklärung will jetzt das BTBTM einen Vorstoß wagen. Sie soll den nächsten Ausländervollversammlungen an der TU und anderen deutschen Universitäten zur Diskussion und Abstimmung vorgelegt werden. Danach werde sie an die Politiker weitergeleitet. Die Präsidenten von 50 Universitäten hätten bereits ein Exemplar bekommen. „Wir warten jetzt auf Stellungnahmen von ihnen“, sagt Kenan Kolat.

E.K.