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Gorilla-Forscherin paktierte mit Putschisten

Dian Fossey vertrieb einheimische Viehzüchter, um Berggorillas zu schützen / Blutige Stammeskonflikte und Machtkämpfe in Ruanda werden jetzt von einem Exil-Autoren als Buch veröffentlicht / Rheinland-Pfalz, die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Bundeswehr unterhalten enge Beziehungen zu Ruanda  ■  Von Wieland Giebel

Sie haßte die Eingeborenen, brachte ihr Vieh um, zerstörte ihre Hütten, injizierte ihnen Urin und peitschte ihre Genitalien mit Brennesseln. Schließlich kidnappte sie das Kind eines Wilderers. Aber Dian Fossey betrieb aktiven Naturschutz. Ohne ihr Eingreifen wären die letzten freilebenden Berggorillas in Ruanda vielleicht ausgerottet. Durch ihr Eingreifen brachte sie Menschen ins Gefängnis und in den Tod. Die politische Realität Ruandas blendete sie aus. In Ruanda war all das seit Jahren ein offenes Geheimnis. Ein Buch und der gleichnamige Film (Gorillas im Nebel) machen die Tierfreundin jetzt weltbekannt.

Ihren Sieg gegen die Viehzüchter, die ihre Kühe am Rande der Vulkane weideten, errang Dian Fossey Ende 1973: Nach einer großangelegten Schießerei hinterließen Dian Fossey und die zehn afrikanischen Männer ihrer Privatarmee gegen Wilderer Dutzende toter und halbtoter Rinder. „Die armen Kühe wollten einfach nicht sterben. Ich kann diesen Anblick nicht ertragen“ (vgl. Morat, Das Ende der Fährte. Biographie, Zürich 1988, 48 DM).

Sie wurde zum Polizeichef in den nahen Ort Ruhengerie vorgeladen. „Wie sich herausstellte, war der neue Polizeichef wunderbar, er spricht perfekt englisch (und Dian weder die Landessprache Kinyarwanda noch einigermaßen Französisch, sie hilft sich mit Kisuaheli) und tat die ganze Angelegenheit mit einem Achselzucken ab.“ Kein Wunder. Denn der Polizeichef gehört zum Hutu-Stamm, die Viehzüchter aber sind Tutsi. Im Sommer hatte sich Präsident Habyarimana, ein Hutu, an die Macht geputscht. Nationaler Hintergrund: der vorige Präsident Kayibanda, ebenfalls Hutu, sei nicht entschieden gegen die früheren Tutsi-Feudalherren vorgegangen. Im südlichen Nachbarland Burundi kamen 1972/73 bei Massakern der dort herrschenden Tutsi-Minderheit Hunderttausende von Hutu um. Die Reaktion darauf in Ruanda, wo die 90 Prozent Hutu 1969 die Macht übernommen hatten, waren Vergeltungsaktionen gegen die Tutsi im eigenen Land. Dian Fossey hatte sich also mit ihrer Strafexpedition gegen die Tutsi-Viehzüchter zur nützlichen Handlangerin des neuen Regimes gemacht.

Dian Fossey bekämpft

Sammler und Jäger

Die Tutsi gaben ihre Viehzucht in dem Gebiet auf, aber es gab noch die Twa-Pygmäen, die für Dian Fossey Wilderer waren. Schon bevor die Hutu um das Jahr 1000 mit dem Austrocknungsprozeß der Sahara nach Ruanda kamen, lebten die Twa als Jäger und Sammler im Zwischenseengebiet Ostafrikas. Ohne Auftraggeber, wie dem Kölner Zoo, wären die Twa nie an Gorillas interessiert gewesen. Dian Fossey kämpfte gegen das letzte, schwächste Glied, gegen die heute noch aus der ruandischen Gesellschaft ausgeschlossenen Pygmäen, die nur noch ein Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Bedroht wurde der Lebensraum der Gorillas aber besonders vom Anbau des Insektizids Pyrethrum, wofür ein großer Teil des Urwaldes abgeholzt wurde. Ohne die Weltbank und die Belgier wäre dieses natürliche Insektizid, das heute synthetisch hergestellt wird, nie angebaut worden. An dieser Kampffront tat sich Dian Fossey nicht hervor.

In den USA war Dian Fossey inzwischen durch ihre Veröffentlichungen in 'National Geographic‘ und einen Film von Bob Campbell berühmt geworden. Als sie 1974 von einer Spendenkampagne aus den USA zurückkam, wollte Ruandas Präsident, Generalmayor Habyarimana, mit seinen höchsten Militärs ihren Film sehen. „Im Palast trug ich mein griechisches Kleid. Der Präsident schien äußerst amüsiert ich war nervös. Abgesehen von irgendeinem König und seiner Königin waren wir (Dian Fossey und der US-Botschafter; d.Red.) die ersten Weißen, die den Palast seit dem Militärputsch vom letzten Jahr betreten durften“, berichtete Frau Fossey.

Hier irrte Dian. Denn der Putsch war von den Belgiern geplant, die Habyarimana auch später als Berater zur Seite standen. Weltpolitischer Hintergrund: nachdem die Chinesen die Tansam-Eisenbahn gebaut hatten, um Sambia an Tansanias Küste anzubinden und von den Handelswegen über Südafrika freizumachen, wollten sie an Tansanias Küste einen Flottenstützpunkt errichten. Ostafrika schien dem Westen verlorenzugehen. Als Reaktion planten die Amerikaner einen Militärstützpunkt in Ruanda, den der frühere Präsident Kayibanda aber ablehnte. Er wollte die gerade errungene Unabhängigkeit nicht aufs Spiel setzen. Kayibanda mußte weg, helfen konnten wegen ihres Einflusses nur die Belgier, die Habyarimana an die Macht putschten.

Diese Hintergründe des Putsches und die folgende Liquidierung der Regierungsmannschaft Kayibandas wurde erst in diesem Jahr durch Shyrambere Barahinyura, einem in Frankfurt lebenden Exil-Ruander, veröffentlicht, der als politischer Flüchtling anerkannt ist (Barahinyura, Habyarimana, franz. Ausgabe, ab Mai dt., 38 DM, Edition Izuba, Pf. 500 713, Frankfurt).

Als der ruandische Geheimdienst von der geplanten Veröffentlichung erfuhr, versuchte er Barahinyura in Frankfurt ausfindig zu machen. Die Frankfurter politische Polizei griff schützend ein: Sie verschaffte dem kritischen Buchautor aus Ruanda eine neue Wohnung und eine neue Identität. Schließlich versuchte die ruandische Botschaft in der Bundesrepublik, die Finanzierung des Buches zu verhindern.

Bisher galt Ruanda, das Bildungsschlußlicht Afrikas, als ein Hort der Demokratie. So vorbildlich, daß Rheinland-Pfalz eine Partnerschaft mit Ruanda einging und Kommunen, aber auch Vereine und Schulen und die Kirchen seit 1982 für Ruanda sammeln. Parlamentarier, Bürgermeister und Gewerkschafter nutzen die Gelegenheit, einen Ausflug in dieses am dichtesten besiedelte Land Afrikas zu machen. In der Landeshauptstadt Mainz ist Habyarimana ein geschätzter Gast.

Geld und Anerkennung

aus der BRD

Aber auch die Bundeswehr tummelt sich in Ruanda. Unter der Deckbezeichnung „Deutsche Beratergruppe“ gibt sie der ruandischen Armee Nachhilfe. Die „Deutsche Welle“ unterhält in der Nähe der Hauptstadt Kigali eine Relaisstation, von der aus die südliche Halbkugel und Amerika beschallt werden. Zum Austausch dafür wurde das ruandische Radio aufgebaut, ein Berater sitzt laufend im Sender.

Schließlich unterhält die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) eine Dependance in Kigali. Der Vermieter ihrer Villa im Herzen der Stadt: Bonaventure Habimana, Generalsekretär der Einheitspartei MRND, der „Revolutionären Nationalen Bewegung für die Entwicklung“, in der jeder Ruander qua Geburt Zwangsmitglied ist.

Buchautor Barahinyura enthüllte, daß Präsident Habyarimana persönlich für die Ermordung der früheren Regierungsmitglieder verantwortlich ist, die größtenteils im Gefängnis von Ruhengerie umkamen, direkt vor der Haustüre von Dian Fossey. Auch sie ließ ihre gefangenen Wilderer in diesem Gefängnis abliefern, wünschte sich deren Tod und ärgerte sich, wenn sie nur zu wenigen Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Die aber reichen in Ruanda oft für den Tod. „Amnesty international“ beschuldigt Ruanda immer wieder der Folter an Gefangenen.

1980 gab es einen angeblichen Putschversuch gegen Präsident Habyarimana, von dem auch Dian Fossey betroffen war. Denn der einzige ruandische Beamte, der nach ihren überhandnehmenden Angriffen gegen die Bevölkerung zu ihr stand, war Paulin NkuBili. Dian nannte ihn „Onkel Billy“. Auch den Gorillas gab sie vorzugsweise amerikanische Namen (Pop-Corn, Peanuts und Curry). Onkel Billy wurde beschuldigt, in den Putschversuch verwickelt gewesen zu sein. Für Präsident Habyarimana bot sich die Gelegenheit, seine jetzt des Putsches gegen ihn selbst bezichtigten bisherigen Mitstreiter als Mörder der vorigen Regierung ins Gefängnis zu bringen. Er entledigte sich damit, nach Barahinyura, der Leute, die seine Verantwortung belegen könnten.

Dian Fossey wurde 1985 in ihrem Haus erschlagen. Mit ihrer Leiche hatte die US-Botschaft noch einige Probleme. Sie sollte in die USA überführt werden, einige ihrer Freunde wollten sie aber in Ruanda lassen. Bis die Frage entschieden wurde, legte man sie im Kühlhaus von Coca-Cola in Kigali auf Eis. Schließlich wurde sie filmreif neben ihrem ermordeten Lieblingsgorilla „Digit“ in den Vulkanen begraben.

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