: Q U E R S P A L T E Legalisiert die Revolution!
■ Wie hältst Du's mit dem staatlichen Gewaltmonopol?
Wenn Wladimir Iljitsch das noch erleben dürfte! Welche Sehnsucht der deutschen Linken könnte sein berühmtes Gleichnis besser bestätigen als das Beharren auf der Forderung, der Staat möge doch bitteschön sein Gewaltmonopol zur Disposition stellen? Der Altmeister des Kommunismus hatte also recht mit seiner Ahnung, die Deutschen würden sich zuallererst um die Bahnsteigkarte kümmern, wenn sie eine Revolution auf dem Bahnhof veranstalten wollten. Immerhin bringen es nun einige Strategen der Berliner AL fertig, mit dieser Sehnsucht in der Szene nach mehr Legalität für die staatsfeindliche Gewalt das zarte Pflänzchen rot-grüner Politik in der Stadt zu gefährden.
Die Debatte um das staatliche Gewaltmonopol ist eine Gespensterdebatte. Das Monopol beansprucht „der Staat“. Er kann es auch nicht aufgeben, das macht das Staatswesen aus. Genau deshalb jedoch wird diese Streitfrage zum Lackmus -Papier für das wahre Linke von jenen benutzt, die sich irgendwie als Staatsfeinde betrachten könnten, dann aber nicht so recht wollen gedurft haben. Wer einen Stein werfen will, der möge das tun, und das dann bitteschön hinterher vor den Be- oder auch Getroffenen auf seine Weise verantworten. Wer sich aber danach sehnt, den Stein legalisiert zu werfen, macht sich lächerlich, schon gar als Parlamentspartei und erst recht in einer Regierungskoalition. Im übrigen könnten die Argumente, warum die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ein gesellschaftlicher Fortschritt ist, meterweise Bände füllen.
Dabei hatte das Papier von SPD und AL den Anti -Gewaltmonopolisten sogar ein Schlupfloch gelassen, sollten sie das nicht gemerkt haben? Immerhin dürfe „der Staat darüber entscheiden, wer zur Ausübung unmittelbaren Zwangs befugt ist“. Na bitte, versuchen wir's doch einfach und beantragen eine Lizenz zum Steinewerfen, bei Vater Staat.
Ulli Kulke
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