piwik no script img

Alle lesen, keiner staunt

■ Die Bremer Literaturpost wurde von Gundula Thors und Hans Martin Sänger zu einem neuem Leben erweckt: Schreibübungen, Infoabende und Lesungen sind beabsichtigt

A: Unter weiß goldenen Putten werden sie sich wiedersehen, gepflegt literarische Menschen, auf gepflegt literarischem Parkett, in gepflegt literarischer Atmosphäre.

B: Verkrachte Lehrerexistenzen mit Sozialabitionen rufen literarischen Seier-und Sprechblasen-Verein ins Leben.

Ach wie schade, daß keins von diesen schönen Klischees so richtig passen will. Es gab keine keine goldweiße Puttendecke und ungepflegt war auch niemand: Die staatsexaminierten Neubegründer der Literaturpost weichen so geschickt den Schubladen aus, es

ist ein Graus. Mischen wir also gut durch: In die Räumlichkeit von Klischee A setzen wir Berufsgruppe Klischee B. Geben wir jetzt noch zwanzig Literaturinteressierte hinzu. Voila, ein bestechend klares Bild, Dienstagabend, Villa Ichon, zweiter Stock.

Die Literaturpost Bremen, soeben zu neuem Leben erweckt, präsentierte LaienliteratInnen ihr neues Konzept sowie eigene Texte. Gundula Thors und Hans Martin Sänger, die sich dem Erhalt und der Neubelebung der bis dahin wohl nur Insidern bekannten Literaturpost verschrieben haben, hatten sich mächtig ins Zeug gelegt. Ehrenamtlich und mit bisher privat erbrachter Raummiete, stellten sie den Erschienenen ein durchdachtes und weitgreifendes Konzept vor, das Flexibilität nicht ausschließt. Schreibübungen, eigene Lesungen, Übungen zu „Wie schreibe ich ein Manuskript“ gehören zum Angebot. Kein „Bewunderungsforum, wo einer liest und alles staunt“ soll dabei heraus kommen, sondern eine Atmosphäre, in der jeder von jedem etwas lernen kann.

Bisher ist das Staunen doch noch ganz eindeutig auf Seiten der Besucher, die sich ziemlich bequem von Stuhl aus animieren lassen. Die folgende Lesung von eigenen Arbeiten der beiden, ist denn auch wenig geeignet, die Hemmungen zu nehmen. Satiren, Geschichten und Gedichte, zum Teil mehr als brilliant und bissig, lassen sicher den einen oder anderen Zweifel an den eigenen Wer

ken aufkommen. Geschmeichelt lächeln die beiden, wenn zaghaft Beifall rauscht.

Eine breitgefächerte Mitarbeit wünscht sich die Literaturpost, keinen Dichterklüngel. Auch recherchiertes Schreiben soll Platz finden, was auf zaghaften Unmut stieß. Das sei doch Sache von

Journalisten. Richtig, wo kämen wir denn hin, wenn überall Leute mit Notizblöcken rumsäßen. Nicht auszudenken.

KeDe

Nächste Veranstaltung: 7.3., Schreibwerkstatt. Thema: Collage

21.3. Eigenes Lesen. jeweils Villa ICHON, jeweils 20 Uhr

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen