: Mit Macheten gegen Staudamm
■ Tumulte bei Indianerkongreß über geplanten Staudammbau in Brasilien / Umwelttribunal gegen Brasilien mit 1.200 Teilnehmern / Britischer Rockstar Sting gründet Stiftung zur Verteidigung des Amazonas
Rio de Janeiro (afp) - In der nordbrasilianischen Stadt Altamira ist es am zweiten Tag einer internationalen Indianerkonferenz zu tumultartigen Debatten über einen geplanten Staudamm im Amazonasgebiet gekommen. Vor den 300 Indianerdelegierten aus Brasilien, Mexiko, den USA und Kanada verteidigte am Dienstag ein Sprecher des für das Projekt zuständigen Energiekonzerns das Vorhaben. Das geplante Cararao-Wasserkraftwerk, dessen Stausee eine Urwaldfläche von 1.200 Quadratkilometern im Xingu -Nationalpark überfluten soll, sei „unentbehrlich für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes“, betonte Jose Antonio Munis Lopes von der Gesellschaft „Stromzentralen des Nordens“.
Dem Stausee sollen 280 Kaiapo-Indianer weichen, die derzeit in dem Gebiet nördlich von Altamira leben. Ihr Häuptling Paulinho Payakan ist der Initiator des internationalen Indianertreffens gegen das Staudammprojekt, das vom 20. bis zum 25. Februar tagt. Munis Lopes versuchte, die Anwesenden mit dem Hinweis zu beschwichtigen, daß die Bauarbeiten an dem Staudamm erst in fünf Jahren beginnen und bis dahin die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt genau geprüft werden sollen. Derzeit seien keine weiteren Staudämme in der Amazonasregion geplant, sagte er und dementierte damit das Energieprogramm der Regierung, nach dem bis zum Jahr 2010 insgesamt 80 Stauseen 100.000 Quadratkilometer Dschungel überfluten sollen.
Der Konzernvertreter wurde mehrfach unterbrochen von heftigen Unmutsäußerungen. Eine Kaiapo-Indianerin rief: „Alles Lügen, deine Geschichte ist nichts wert“, und setzte Munis Lopes ihre Machete an die Wange. „Was denkst du, was wir sind? Für uns hat elektrische Energie überhaupt keine Bedeutung. Ihr denkt nicht an uns, aber wir dulden keinen Staudammbau“, rief ein anderer Indianer, der einen Holzspeer gegen den Konzernsprecher schwang. Zur Empörung der Kaiapos trug auch die Wahl des Namens für den Staudamm bei. Das Wort „Cararao“ gilt ihnen als heiliger Kriegsruf. Lopes bot inzwischen als „Kompromiß“ an, auf den Namen „Cararao“ zu verzichten.
Auch der britische Rockstar Sting solidarisierte sich mit den Indianern. Er traf am Dienstag in Altamira ein, um an dem Kongreß teilzunehmen. Sting sagte, er habe Brasiliens Präsident Jose Sarney mitgeteilt, daß er am 12. April in Paris eine Stiftung zur Verteidigung des Amazonas gründen werde. Er habe bereits einen Spendenappell erlassen.
In der 460 Kilometer östlich von Altamira gelegenen Hauptstadt des Bundesstaates Para, Belem, verurteilte ein „Umwelttribunal“ am Dienstag den brasilianischen Staat wegen „Verbrechen gegen die Amazonasregion“. Die etwa 1.200 Teilnehmer des Tribunals nahmen den Spruch der siebenköpfigen Jury einstimmig an. An der Veranstaltung unter Vorsitz des prominenten brasilianischen Umweltschützers Jose Lutzenberger nahmen Vertreter von 30 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und Parteien teil.
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