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Duchbruch für die Menschenrechte

Entwurf einer neuen ungarischen Verfassung vom ZK angenommen / Volksabstimmung über die neue Verfassung voraussichtlich 1990 / Keine Ausgrenzung oder Sonderstellung anderer Parteien  ■  Aus Budapest Roland Hofwiler

Als einen „Durchbruch bei der Auslegung und der Garantie der Menschenrechte“ bezeichnete am Mittwoch ZK-Sekretär György Fejti den Entwurf der neuen ungarischen Verfassung, die am Vorabend das ZK der Kommunistischen Partei passiert hatte. Erstmals in einem realsozialistischen Land sollen in der Verfassung Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Regierung voneinander getrennt werden. Wenn alle Prozeduren abgeschlossen sind, könnte es schon 1990 zu einer Volksabstimmung über die neue Verfassung kommen, erklärte Fejti.

Doch auch dies ist Ausdruck der osteuropäischen Experimentierküche: noch am Montag prangte Janos Kadar, der alte Parteichef auf der ersten Seite der Tageszeitungen. Die dazugehörenden Artikel strotzten nur so von den schwerfälligen Wortketten der alten Zeit. Inhaltlich wurde jedoch klar, daß die Verfasser für die Selbstentmachtung der Kommunistischen Partei eintraten. Doch das Bild des Ehrenvorsitzenden besitzt durchaus Symbolkraft: Staatsminister Rezsö Nyers wies auf die Gefahr der „Diskontinuität“ hin. Jedes Parteimitglied weiß, was die Anspielung zu bedeuten hat: Die Partei darf nicht in verfeindete Fraktionen zerfallen; auch die dogmatischen Kräfte in der Partei sollen in den Prozess der Öffnung eingebunden bleiben.

Am Dienstag erklärte dann György Fejti im Namen des ZK, die Partei wolle zwar als politische Avantgarde den Aufbau des Sozialismus voranbringen, wolle dies aber künftig ohne Sonderstellung oder Ausgrenzung anderer Parteien tun. Allein die politischen Erfolge der Partei legitimierten sie, die Regierungsgeschäfte auszuüben. In der Bevölkerung glaubt man mittlerweile, daß die seit 1949 alleinregierenden Kommunisten allmählich bereit sind, tatsächlich die Regierungsgewalt aufzugeben.

Um der Kritik in den eigenen Reihen die Spitze abzubrechen, wurde auch eine diplomatische Offensive gestartet. Parteinahe Beobachter sehen in der Kurzvisite von Parteichef Grosz letzte Woche in Prag sogar den Versuch Ungarns, den Nachbarn zu mehr Glasnost zu bewegen. Die aggressive Rhetorik - nach Meinung der tschechischen Presse schade der revisionistische Weg Ungarns dem Sozialismus als ganzem sollte offenbar abgeschwächt werden. Denn die in der CSSR lebenden über eine Million Ungarn schielen mehr und mehr über die Grenze nach Süden. Es zeichnet sich die Gefahr eines neuen Spannungsherdes ab. Nur wenn die CSSR-Regierung und Partei den Prager Frühling neu bewertet, wie Ungarn den Aufstand von 1956, könnte die Unzufriedenheit der Ungarn in der CSSR abgedämpft werden.

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