piwik no script img

Die „Wahrheit“ will Zeitung werden

■ Harvey Gundlach vom Sekretariats des SEW-Parteivorstandes zum Neuererwesen im Zentralorgan

taz: Die gestrige Ausgabe der „Wahrheit“ zeigte einen Karl Marx, der alte Zöpfe abschneidet. Ist das das Motto für die neue „Wahhreit“, die ab 1. Juni nach dem Willen des Parteivortsandes erscheinen soll?

Harvey Grundlach: Man könnte es so sehen, daß es tatsächlich das neue Motto werden kann.

Was sind die alten Zöpfe, die abgeschnitten werden sollen?

In den letzten Jahren hat sich in dieser Stadt ein demokratischer Dialog zwischen vielen fortschrittlichen Kräften entwickelt hat. Daß wir darin einen festen Platz haben, wollen nun wir nun stärker sichtbar machen. Das heißt, den Zopf abzuschneiden, daß unsere Zeitung nicht nur parteiinternes Mitteilungsblatt und nur für Genossen interessant ist, sondern eigentlich für alle Kräfte in dieser Stadt, die eine gesellschaftliche Veränderung wollen.

Der feste Platz von dem Sie sprechen, ist, wie die letzten Wahlergebnisse zeigen, ein Nischendasein. Auch die Auflage der „Wahrheit“ sinkt. Knapp 6.000 Abonnenten gibt es, knapp 450 Exemplare werden täglich am Kiosk verkauft.

Das hat in der Tat etwas mit den Veränderungen zu tun. Es ist ja aber kein Geheimnis, daß wir über diese Prozesse nicht sehr glücklich sind und uns öffnen wollen. Zur Umgestaltung der Zeitung gehört aber auch, mehr interessante Prozesse aufzubereiten.

Also mehr Zeitung, weniger Partei?

Wenn Sie so wollen, in der Tat ja. Was die Erweiterung des Themenspektrums angeht, da sind wir aber noch in der Feinkonzeption und diskutieren in der Parteibasis, was das konkret heißt. Für dezidierte Beschlüsse ist es jedoch noch zu früh.

Finden Glasnost und Perestroika, mit denen die SEW bislang ihre Probleme hatte, dann auch in der „Wahhreit“ statt?

Ich glaube nicht, daß man so einfach von Schwierigkeiten reden kann. In unserer Beschlußlage haben wir eindeutig den Prozeß des 27. Parteitages der KPdSU begrüßt.

Der Sputnik wird in der neuen „Wahrheit“ aber starten?

Ich hoffe, daß so was alles starten wird.

Auch in der Berichterstattung?

Ja, auch in der Berichterstattung werden wir uns überlegen müssen, wie wir Defizite aufgreifen.

Selbstgeschriebene Leserbriefe, wie die „Wahrheit“ jetzt erstmals öffentlich kritisierte, wird es dann nicht mehr geben?

Ja, das ist kritisiert worden. Das ist ein Punkt der Vergangenheit, wo man meinte, das machen zu können. Man muß Wege finden, daß Leserbriefe mit Kritikpunkten deutlicher ihren Platz finden.

Spielen finanzielle Gründe bei der Neukonzeption eine Rolle?

Nein die „Wahrheit“ ist nicht in Finanznöten, aber sicher wollen wir die finanzielle Lage verbessern. Wie teuer die Veränderung sein wird, haben wir noch nicht genau ausgerechnet. Ich kann Ihnen nur sagen, wenn Kommunisten sich was vorgenommen haben und verändern wollen, dann können sie das auch finanziell tragen.

bim

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen