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Mut, Tod und Geld

Das Versagen der bundesdeutschen Presse im Fall Salman Rushdie  ■  Von Klaus Hartung

Berlin (taz) - Rabiat nach Mut ruft nun die bundesdeutsche Presse. Zu Recht - Mut ist Mangelware. Am Mittwoch veröffentlichten wir auf Seite zwei die kurze trübe Geschichte einer gescheiterten Mutprobe der überregionalen Zeitungen. Wir beschrieben, wie - allen voran 'FAZ‘, 'Zeit‘, 'Stern‘ - sich vor einer gemeinsamen solidarischen Aktion drückten und der taz den Mut überließen, den sie für geboten hielten. Diese Zeitungen hatten also einen Arbeitstag Zeit, ein paar selbstkritische Überlegungen anzustellen. Das Ergebnis? Die 'FR‘, die sich am Freitag schon mit dem Hinweis auf den drohenden Druckerstreik von einer gemeinsamen Veröffentlichung der Rushdie-Texte distanzierte, geht mit der taz ins Gericht. Sie habe „spektakulär“ auf der ersten Seite eine „Raubübersetzung“ gebracht. Eine Raubübersetzung? Offenbar etwas, was noch kein Raubdruck ist, was aber für Inhaber der Rechte doch ein Anlaß sein sollte, mal die Rechtsabteilung einzuschalten. Noch schöner: Helmut Schmitz von der 'FR‘ zitiert die taz: „Zwar ist nichts unangemessener als die Jagd nach Stellen in Rushdies Satanic Verses; gleichwohl, wegen dieser Stellen wird Rushdie gejagt.„ Schmitz nennt das die „janusköpfige Aufrichtigkeit„ der tazler. Schlimm ist - frei nach Tucholsky -, wenn Janusköpfe Janusköpfe Janusköpfe schimpfen. Die 'Süddeutsche Zeitung‘ hingegen scheint ein gewisses Bedauern zu spüren, daß sie aus dem Mutkartell so früh ausstieg. Sie versteckt ihr schlechtes Gewissen in einer 'Reuter'-Meldung: „Auszüge aus den Satanischen Versen veröffentlichte am Mittwoch die Berliner tageszeitung (taz). Die führenden Tageszeitungen wollen dagegen keine Auszüge drucken.„ Führende Zeitungen sind offenbar Zeitungen, die nicht drucken. Schirrmacher, Feuilleton-Chef der 'FAZ‘, engagierte sich für einen solidarischen Abdruck der einschlägigen Rushdie-Passagen. Als dann die Aktion an der angeblichen Intervention von Rushdies Agenten, auf die sich in letzter Minute Kiepenheuer&Witsch berief, scheiterte, versprach er einen geharnischten Kommentar zum Mut der kleinsten Zeitung und zum Unmut der größten. Am Donnerstag leitartikelt er aber melancholisch darüber, daß „viele westliche Intellektuelle, deutsche zumal, seit langem in einem imaginären Reich von Widerstand, Mut und Rebellentum„ leben. Und Theo Sommer in der 'Zeit‘ trifft es wieder einmal: „Mannesmut vor Mullah-Thronen“ fordert er. „Mit Herz in der Hose läßt sich die Freiheit des Wortes nicht verteidigen. Wenn nicht einmal jene Mumm zeigen, die vom Wort leben und die an das Wort glauben - wer sollte sich dann stark machen für die Freiheit des Geistes.„ Starke Worte, welch hartes Urteil über die eigene, die große liberale Zeitung! Die 'Zeit‘ wollte drucken. Auch Feuilleton-Chef Greiner glaubte dem angeblichen Veto des Agenten, auf das sich der Kiepenheuer&Witsch Verlag berief, nicht. Aber sie entnahmen dem Fax des Verlags immerhin eine Drohung, nicht die der Mullahs, sondern die Drohung von Schadensersatzforderungen des Kiepenheuer&Witsch Verlags.

Mannesmut vor Mullah-Thronen, vielleicht, aber vor der Rechtsabteilung von Neven DuMont, niemals!

Sollte niemand den Paragraphen 50, Absatz 2, des Urhebergesetzes kennen, wonach das „Tagesinteresse“ Vorrang hat? Oh, sehnsuchtsvolle Hungerleider des intellektuellen Mutes! Im Zweifelsfall bunkert sich die bundesdeutsche Presse, bedroht von Rechtsabteilungen, Urheberrecht und Killerkommandos, lieber im einwandfreien Leitartikel ein.

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