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Umweltschutz mit der Brieftasche

■ Öko-Steuer packt Umweltsünder am empfindlichsten Körperteil, dem Portemonnaie / Wer aus Waldsterben und Smogglocken nicht lernen will, soll zahlen / Heidelberger Institut stellte Umstellung des Steuersystems im Bremer Rathaus vor

Die Einwegflasche Bier kostet 2,50. Die Dose Cola 1,50. Haarspray mit „Mikrofeinzerstäubung“ und Backofenreiniger „Zisch und weg“ sind unter 25 Mark überhaupt nicht mehr zu haben. Rexona läßt uns doch im Stich und Bac ist auch nicht mehr für uns alle da: Deo in der Familien-Spraydose kostet 20 Mark. Einfach die Wäsche öfter wechseln, ist keine Alternative: Die Wasser-Preise steigen drastisch; außerdem kosten Dash, Persil und weißer Riese das doppelte. Wer seine Wohnzimmerwände aus ästhetischen Gründen von Rauhfaser oder Blümchen unbedingt auf Palisander oder Mahagony umrüsten will, muß zahlen. Unter 150 Mark pro Quadratmeter ist selbst bei II. Wahl nichts mehr zu machen.

Öko-Science-Fiction...

Weil alle Aufklärungskampagnen weder die Ozonlöcher gestopft noch Wald-und Robbensterben gestoppt haben, hat sich eine rot-grüne Bundesregierung angesichts des drohenden ökologischen Kollaps zu drastischen Maßnahmen entschlossen: Statt die Bürger beim Kopf oder am schlechten Gewissen zu packen, faßt sie sie an ihrem empfindlichsten Körperteil, dem Portemonnaie. Wer die Umwelt mit Plastikflaschen, Alufolie oder Autoabgasen verschmutzt, wird kräftig zur Kasse gebeten. Nicht die Gesetze des Marktes bestimmen die Preise im Supermarkt, sondern die Gesetze der Pädagogik: Umweltverträgliches Verhalten wird

belohnt, umweltschädliches geldbestraft. Der stumme Zwang der fiskalischen Verhältnisse zwingt Verbraucher, Industrie und Landwirtschaft gleichermaßen zur Änderung ihrer Konsum -und Produktionsgewohnheiten.

...seriös berechnet

Den bislang radikalsten Vorschlag für einen ökologischen Umbau des bundesdeutschen Steuersystems hat sich das Heidelberger UPI-Institut ausgedacht. Auf Einladung von Bürgermeister Henning Scherf durften die UPI -Volkswirtschaftler ihre Ideen jetzt im Bremer Rathaus vorstellen. Grundlegender Gedanke des UPI-Modells: Verbraucher und Fabriken bezahlen per Steuer künftig den Preis für ihre Produkte, den sie auch tatsächlich kosten. Umweltschäden, die bislang sozusagen gratis waren, werden in Mark und Pfennig umgerechnet und privat bezahlt, statt - wie bislang - von der Allgemeinheit entweder mit Gesundheitsschäden oder nachträglichen Sanierungsmaßnahmen bezahlt zu werden. Volkswirtschaflich ausgedrückt: Externalisierte, auf die Natur oder künftige Generationen abgewälzte Kosten werden sofort an der Ladenkasse fällig, werdeninternalisiert.

In einem aufwendigen Planspiel haben die Heidelberger Ökonomen exemplarisch 35 umweltschädliche Produktgruppen von A wie Alufolie bis Z wie Zigaretten - je nach Grad ihrer Umweltschädigung und Möglichkeit ihrer Ersetzbarkeit durch um

weltfreundlichere Produkte - mit mehr mehr weniger drastischen Ökosteuern zwischen 31 (Erdgas) und 667 Prozent (Fluorkohlenwasserstoffe) belegt. Pädagogisch erwünschter Effekt: Nicht nur der einzelne Verbraucher würde notgedrungen auf die (jetzt relativ billigeren) Öko-Produkte ausweichen, Müllberge verringern und Energie sparen, auch die Industrie müßte aus blanker Betriebswirtschaftlichkeit die jeweils ressourcensparendsten Technologien einsetzen, umweltverträgliche Alternativprodukte entwickeln und wahrscheinlich

sogar neue Arbeitsplätze schaffen: Die menschliche Arbeitskraft würde gegenüber der „künstlich“ verteuerten Energie wieder konkurrenzfähig. Besonderer Vorzug der Öko -Steuer gegenüber verordneten Schadstoff-Grenzwerten:Während die einmal festgelegten Grenzwerte die Industrie zu einer einmaligen Anstrengungen zwingen, sich nach der Anpassung aber auf ihren Lorbeeren ausruhen läßt, zwingt die Ökosteuer zu immer neuen Innvotionen. Denn jede Verbesserung macht sich direkt bezahlt.

Selbst wenn, wie die UPI

Volkswirtschaftler annehmen, viele Verbraucher auf die drastischen Preiserhöhungen sofort mit dem (erhofften) Boykott umweltschädlicher Produkte reagieren würden, könnte der Bundes-Finanzminister im UPI-Gedankenspiel aus der Ökosteuer mit Einnahmen von rund 210 Milliarden pro Jahr rechnen.

Wer soll das bezahlen?

Bleibt die Frage: Wer soll das bezahlen? Antwort jeder, der sich den Luxus der Umweltzerstörung weiterhin leisten will. Allerdings ist das UPI-Modell nicht vorwie

gend zur Aufbesserung des Bundesetats gedacht. Schmackhaft gemacht werden soll das Projekt „Ökosteuern“ auch Verbraucherverbänden und Gewerkschaften. Das heißt: Die Mehrbelastungen, die mit der Öko-Steuer auf 15 Millionen Familien-Haushaltskassen zu-und dem staatlichen Steuersäckel zugute kommen, können nicht allein von den derzeitigen Tariflöhnen, Sozialhilfe-und Rentensätzen bezahlt werden. Was die UPI-Ökonomen den Bürgern deshalb per Ökosteuer aus dem Portemonnaie ziehen, wollen sie ihm deshalb an derer Stelle wieder zurückzahlen. So sollen z.B. die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung um 40 Prozent gesenkt werden, die zwangsläufigen Löcher in der Rentenkassen mit den Einnahmen aus der Öko-Steuer gestopft werden. Außerdem soll die Mehrwertsteuer, die bislang auf alle Produkte ohne Ansehen ihrer Umweltschädlichkeit bzw. - verträglichkeit bezahlt werden muß, ersatzlos gestrichen werden. Für kleinere und mittlere Einkommen soll darüberhinaus die Lohnsteuer um 20 Prozent gesenkt werden. Für den deutschen Durchschnittshaushalt soll auf diese Weise das monatliche Gesamtbudget insgesamt in etwa gleich bleiben. Wer davon umweltfreundlich einkaufen geht, kann sich davon sogar mehr leisten als bislang. Nur wer nach wie vor Einwegflaschen, Treibgas-Deos und PS-Protze für den Inbegriff von Lebensqualität hält, ist schon am 15. pleite.

K.S.

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