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Soldat und Kriegsfeind

Hans Hellmut Kirst in Bremen gestorben hier bitte das Foto mit dem Buch  ■ 

Foto: Jörg Oberheide

Gestern das schwarzumrahmte Bild im Fernsehen, heute der Versuch eines Nachrufs auf Hans Hellmut Kirst, der mit seinen Kriegsromanen ein Millionenpublikum gewann und über den die Meinungen so weit auseinandergehen.

Revanchisten haben ihn angegriffen, weil er ein desillusionierendes Bild des Militärs entwarf und Pazifisten, weil er ihm keine prinzipielle Abfuhr erteilte, sondern „das Soldatentum“ in Schutz nahm gegen „das Grundübel der Macht in unrechten Händen.“ Ästheten kritisierten ihn wegen seiner „auffallend schlichten Sprache“, während Trivialschreiber sich nicht anfreunden konnten mit den kritischen Tönen, die unüberhörbar sind in Kirsts Büchern.

Das Publikum allerdings sprach ein eindeutiges Urteil, kaufte seine weit über dreißig Bücher in bis heute mehr als sieben Millionen Exemplaren. In den Ostertor-Buchhandlungen sind sie natürlich nicht zu finden, da klafft zwischen Kirchhoff und Kisch ein Loch. Aber in den großen Kaufhäusern, da stehen sie dutzendweise, in immer neuen Auflagen. Eine der Figuren ist sogar fast sprichwörtlich geworden und steht für Gleichförmigkeit und Langeweile: Der Schütze Asch mit der Kennummer 08/15 aus der gleichnamigen Trilogie. Und man muß diese Bücher nur neben die dumpfen Machwerke eines Herrn Konsalik legen, der zur gleichen Zeit wie der ehemalige NS-Offizier Kirst seine Kriegserfahrungen verarbeitete, um zu wissen, wem von beiden man ein größeres Publikum wünscht.

Hinzu kommt: bis auf Ausnahmeerscheinungen wie Böll, Richter und Plivier mieden die westdeutschen SchriftstellerInnen in den 5oer Jahren, als Kirst zu schreiben begann, das politische Terrain wie der Teufel das Weihwasser. Es war der Berufssoldat Kirst, der versuchte, ein unheroisches Bild der deutschen Wehrmacht zu entwerfen. Und so schrieb 1968 die FAZ: „Diese Unterhaltungsromane, die einige erfolgreiche Autoren wie Kirst oder Simmel regelmäßig schreiben, sind die eigentliche politische Literatur der Gegenwart in der Bundesrepublik.“ Und das ist ein Resümee, das eher gegen den Rest der deutschen SchriftstellerInnen spricht, als gegen den Flaklehrer, der mit seinen Mitteln versuchte, gegen den Totalitarismus anzuschreiben.

FWG

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