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Hemingway-Tours

■ Bernhard Sinkels Vierteiler über den „Marlboro-Mann der amerikanischen Literatur“

„Was für eine Geschichte erst der wirkliche Hem abgäbe“, spottete Gertrude Stein 1933 über den aufstrebenden Kollegen Hemingway. Der „Marlboro-Mann der amerikanischen Literatur“ ('Times‘) hat diese Geschichte nie erzählt, es sei denn, man ließe sein posthum veröffenlichtes, vom Verlag gnadenlos zurechtredigiertes Manuskript Der Garten Eden als verkappte Autobiographie gelten. Statt dessen hat Bernhard Sinkel, nach Felix Krull und Väter und Söhne offenbar der Mann für Mammut-Serien, „Papa“ Hemingways Lebensstory als Fernsehserie zubereitet.

Viele DM, Francs, Lira, Pfunde, Schillinge und Dollars mußten fließen, um den rund 30 Millionen teuren und 400 Minuten langen Vierteiler Hemingway. Die Geschichte eines abenteuerlichen Lebens zu realisieren. Bernhard Sinkel amtierte 90 Drehtage und 60.000 Flugkilometer lang als eine Art Reiseleiter der Hemingway-Tours: Auf den Spuren des Romanciers, Jägers, Fischers, Kriegers, Trinkers und vierfachen Ehemanns besuchte das Team die Schweiz, Paris, Venedig, Kenia, Spanien, Puerto Rico und die USA.

„Zu europäisch“ in Tempo und Erzählweise, befanden amerikanische Fernsehstationen, die man erstmals für eine europäiiche TV-Produktion interessieren konnte, über das fertige Produkt und ließen es kurzerhand zu einer 285 -Minuten-Fassung zusammenschnurren, die sogleich „Emmy„- und „Golden Globe„-Nominierungen erntete. Ziemlich „amerikanisch“ wirkt dagegen die hierzulande ausgestrahlte Langfassung. Kaum eine Szene wird ausgespielt, die Figuren hasten von Kulisse zu Kulisse, Schauplätze wechseln im Tempo von Bond-Filmen. Dazu locken ferne Länder wie im Reiseprospekt, und das Weltspiegel-geschulte TV-Publikum wird sich in der Auffassung bestätigt sehen, daß der Eiffelturm in Paris, die Freiheitsstatue hingegen in New York steht. An den Bildern von der Foto-Safari des Ehepaars Hemingway hätte auch Professor Grzimek selig nichts auszusetzen gehabt. Kaum weniger lehrreich ist es, wenn in Kammerspielatmosphäre bedeutsame Worte über Literatur und Politik fallen. Die Realismus-Frage wird beiläufig im Pariser Restaurant bewältigt, der Spanische Bürgerkrieg mit Hilfe kühler Drinks im Madrider Hotel analysiert.

Alle vier Folgen kranken daran, daß vornehmlich Dialoge deklamiert werden und die Bilder nur als hübsche Beigabe zu Sätzen dienen, die großenteils aus Hemingways Briefen stammen.

Nein, leicht ist es scheinbar nicht, ein Schriftstellerdasein zu verfilmen, auch wenn Hemingway sein Leben zur literarischen Inszenierung machte, das Schreiben zu einer Auseinandersetzung mit dem Tod stilisierte.

„Hemingway ist ein Mannsbild, das mir sehr fremd ist, das mir Angst macht“, bekannte Sinkel, und so habe er demonstrieren wollen, „wie Hemingway an seinem falschen Männlichkeitsbild zugrunde gegangen ist.“ Beschönigt hat Sinkel dabei nichts, und sein Konzept, Hemingways Leben „im Spiegel der vier Ehen“ (pro Folge eine Frau) zu zeigen, ist fürs Mißlingen auch nicht verantwortlich. Allerdings: Wenn man Hemingways Kindheit, den „schwachen“ Vater und die „starke“ Mutter in Rückblenden zumindest „antippen“ (Sinkel) will, warum setzt der Film dann erst bei Hemingways erster Heirat (1921) ein und läßt aus, daß Mama ihren Ernie, der gerade aus dem Ersten Weltkrieg heimgekehrt war, 1920 rausschmiß? Und daß Hemingway, der mit wachsendem Ruhm mehr und mehr zur Parodie seiner selbst wurde, für Kugelschreiber und Whisky Werbung machte? Wäre das nicht eine schöne Sequenz wert gewesen?

Freilich hätten auch solche Zusätze nichts an der konventionellen Machart eines Fernsehepos geändert, das in dramatischer Musik und vollendetem Mittelmaß ersäuft. So bleibt als positive Bilanz nur die Mitteilung an alle Tierschützer: Trotz umfänglicher Jagd-, Angel- und Stierkampfszene kam kein Tier durch Verschulden des ZDF zu Tode. Der Löwe stammte aus Hannover, wohin er nach fingiertem Abschuß auch wieder zurückkehren durfte, den Stierkampf filmte ein Second Uni-Team während der Fiesta in Pamplona, und die Bilder vom Hochseefischen wurden eingekauft.

Peter Körte

ZDF, So., 26.2., 20.15 Uhr; Montag, 27.2., 19.30 Uhr; Sonntag, 5.3., 20.15 Uhr; Montag, 6.3., 19.30 Uhr

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