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Liebe, Tod und Wiedergeburt

■ Renate Sperling, Heilpraktikerin und Reinkarnationstherapeutin in Berlin, über frühere Existenzen, den Sinn des Lebens, über Gott, Glück, Liebe und Schuld Von Petra Dubilski

taz: Was macht Sie so sicher, daß jeder Mensch mehrmals wiedergeboren wird?

Renate Sperling: Bis zu meinem 37. Lebensjahr hatte ich von Re inkarnation nichts gehört. Ich hatte einen ganz normalen Lebensweg, arbeitete als Sekretärin. Ich war auch dauernd krank, ich fand es sogar normal, dreimal im Jahr krank zu werden und ständig unter Streß und Leistungsdruck zu stehen. Zudem hatte ich Schwierigkeiten, weil meine Liebesbeziehungen nicht lange hielten. Es war ein gewaltiger Leidensdruck. Irgendwann hatte ich dann einen Nervenzusammenbruch und bekam ein Magengeschwür. Ich machte eine Gesprächstherapie, und anschließend beschäftigte ich mich mit Bioenergetik. Diese Körperarbeit hat mich total beeindruckt. Das führte dazu, daß alle versteckten Gefühle herausbrachen. Es gab eine Nacht, in der ich sogar daran dachte, mich umzubringen. Körper und Geist schienen plötzlich getrennt.

Extremer Leidensdruck führt doch häufig zu Zusammenbrüchen. Deswegen muß man doch nicht auf frühere Leben zurückgreifen.

Für mich war dann damals das Buch von Thorwald Dethlefsen Schicksal als Chance ein Schlüsselerlebnis. Durch dieses Buch wurde ich sogar körperlich krank, so sehr hat es mich erschüttert. Ich erkannte, daß alles ein Ring um die Wahrheit war. In dem Buch stand ja zum Beispiel auch was über Astrologie, die mir damals völlig fremd war. Auch über Homöopathie, die ich ablehnte. Das erschien mir alles albern. Ich wollte mich damit auch nicht auseinandersetzen. Was mich aber betroffen gemacht hat, war, wie er erklärte, daß es frühere Leben gibt. Ein Teil von mir wußte, daß das, was ich hier las, stimmte. Ein anderer Teil sagte: Das gibt es doch gar nicht. Der Gedanke, immer wieder auf die Welt zu kommen, war mir furchtbar. Da habe ich erst begriffen, daß ich das Leben überhaupt nicht lebenswert fand. Ich konnte mir nicht vorstellen, noch einmal zurückkommen zu müssen.

In der christlichen Lehre bräuchten Sie das ja auch nicht. Da wären Sie nach dem Tod im Himmelreich.

Ich betrachte mich nach wie vor als unbedingte Christin. Aber nicht im herkömmlichen Sinn. Ich bin auch noch in der Kirche, aber ich habe lange mit mir gerungen, ob das richtig für mich ist. Nachdem ich den Gedanken der Reinkarnation kennenlernte, habe ich auch lange mit der Kirche gehadert. Ich habe versucht, über die Kirche etwas zu erfahren. Schließlich müßten die es doch wissen, daß es mehrere Leben gibt. Sonst gäbe das Leben doch gar keinen Sinn.

Warum ist es dann nicht sinnvoll?

Weil wir sonst daran verzweifeln, daß es Kriege gibt, daß so viele Menschen scheinbar ohne Grund leiden. Und es gibt auch keine Gerechtigkeit, wenn man nur einmal lebt.

Aber gegen das Elend in dieser Welt können wir doch, auch ohne mehrmals wiedergeboren zu werden, ankämpfen. Es gibt doch auch nachfolgende Generationen, die dort weitermachen können, wo wir aufhören müssen.

Für mich stimmt schon mal das Wort „kämpfen“ nicht. Wenn ich kämpfe, kämpfe ich auch gegen etwas, und das erzeugt immer Druck. Wir sollten doch lernen zu lieben. Zudem verzweifeln die meisten Leute an diesem Leben. Sie gestehen es sich nur nicht ein. Sie schauen sich um und finden alles sinnlos. Und die wenigsten haben Kraft und tun etwas für die nachfolgende Generation. „Nach mir die Sintflut“ ist der herrschende Gedanke.

Die eigene Größe kann man nur entdecken, wenn man zurückblicken kann. Wenn ich zurückblicke, dann nicht nur in frühere Leben, sondern das ist auch immer ein Erfahren dürfen dessen, was nach dem Tode ist. Dort erkennen Sie, warum Sie dieses Leben so und nicht anders gelebt haben. Sie erkennen den Sinn des Lebens, das sie gerade verlassen haben.

Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst, heißt es. Man muß doch nicht erst gestorben sein, um diesen oder einen anderen Sinn zu erkennen. Es gibt doch viele irdische Möglichkeiten, um zum Glück zu finden.

Mit Sicherheit. Nur die meisten Leute wissen gar nicht, was Glück eigentlich ist. Früher habe ich mich auch für wenigstens zufrieden gehalten. Ich dachte, Glück sei eine Stimmung von Momenten. Jetzt weiß ich, daß Glück eine Grundstimmung ist. Ich bin ein Kind dieser Zivilisation. Deshalb mußten für mich drastischere Dinge passieren, um mich zu verändern. Allein durch die Rückführung habe ich erkannt, warum ich keine Beziehung führen konnte. Ich habe herausgefunden, daß ich unbewußt immer nach einer bestimmten Seele suchte, die ich aus einem früheren Leben kannte. Immer wenn ich einem Mann begegnete, der mich ganz unbewußt an diese Seele erinnerte, dachte ich, der ist es. Und dann war er es doch nicht.

Das ist ja nun die allbekannte Märchenprinzvariante. Wenn man einem Ideal hinterherläuft, paßt einem kein Wesen aus Fleisch und Blut. Wie kamen Sie darauf, daß es jemand aus einem früheren Leben sein muß?

Während einer Sitzung schrieb ich plötzlich einen Namen und schrie: „Ich kann nicht mehr leben ohne dich, bleibe bei mir.“ Ich wußte, da ist was. Während einer weiteren Reinkarnationssitzung purzelte dann alles raus. Ich begann, mich verzweifelt nach dieser Seele zu sehnen. Nun, da ich wußte, daß es sie gibt, wollte ich sie erst recht treffen. Drei Jahre habe ich mich damit rumgeplagt, bis ich endlich loslassen konnte. Und dann hat es eines Tages geklingelt. Ich lernte ihn endlich kennen. Aber es war dann total anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Er hatte in diesem Leben nämlich ein sehr schwieriges Verhältnis zu Frauen.

Woran hatten Sie gemerkt, daß er es war?

Wir hatten es natürlich erst gar nicht gemerkt. Aber wir hatten von Anfang an das Verhalten eines alten Ehepaares im negativen Sinn. Andere machten uns darauf aufmerksam. Wir haben unser Problem dann therapeutisch bearbeitet. Durch unsere karmische Verbindung waren wir ziemlich verhakt miteinander. Heute sind wir gut befreundet.

Was für Leben haben Sie denn bisher gelebt, und was hat Sie speziell mit diesem Mann verbunden?

Das eine nenne ich mein holländisches Leben. Ich wohnte Anfang des 19.Jahrhunderts in einem puritanischen Milieu, in einem gutbürgerlichen Kreis, in dem es überhaupt keine Liebe gab. Es ging nur um Sicherheit. Da begegnete mir dieser Mann. Er war Jude, und ich verliebte mich in ihn. Aber ich durfte ihn nicht heiraten. Er wollte mit mir fliehen, aber er hatte kein Geld. Und daraus sind die ganzen Dramen entstanden. Ich dachte nämlich, daß das nicht gutgehen konnte, seiner Liebe zu folgen und kein Geld zu haben. Ich habe mich dann für Sicherheit entschieden.

Ein früheres Leben hatte ich in der Zeit, als man nach Amerika segelte. Ich hatte mich das erste Mal als Mann erlebt und lernte dadurch meine ganzen Vorurteile kennen. Ich fühlte mich damals sehr von einer Indianerin angezogen. Das war ja noch eine „Wilde“ für mich. Und als die mich auch noch ablehnte, war ich total empört für mein damaliges (Männer-)Verständnis. Ich habe sie dann umgebracht. Das hat mich zu der Erkenntnis gebracht, wirklich menschlich zu werden. Denn wenn ich erkenne, was ich alles selber an Bösem vollbracht habe, kann ich niemanden mehr verurteilen für das, was er heute tut.

Das hört sich nach totaler Akzeptanz jeglichen Unrechts an.

Ja, ich habe heute mehr Mitleid mit den Tätern als mit den Opfern. Denn Opfer sind sie nur, wenn sie das wählen. Jeder kreiert sich sein Leben selbst. Es ist ein freiwilliger Akt, wenn Menschen das kennenlernen wollen. Und wer heute Opfer ist, war vorher immer Täter. Und bei den Tätern weiß ich, wie entsetzlich sie leiden, nicht unbedingt in diesem Leben, vielleicht erst im nächsten.

Die Opfer sind also selbst schuld?

Nach dem Tod sehe ich ja, daß das, was immer ich als Täter gemacht habe, nicht gut war. Ich bin dann bereit, dieselben Erfahrungen zu machen, um zu sehen, wie das ist, mehr nicht. Das heißt, ich möchte selber kennenlernen, wie es ist, ermordet zu werden.

Gilt das auch bei Massenmord? Das hieße ja in der Konsequenz, daß beispielsweise die Juden sich in der Nazizeit ihr Schicksal selber ausgesucht hätten.

Jetzt bewegen wir uns auf sehr schwierigem Gebiet. Das könnte sehr leicht mißverständlich werden. Aber das liegt daran, daß wir alle Angst haben, Angst vor Selbsterkenntnis und der Wahrheit. Wenn wir allmählich den Mut haben, unsere Vergangenheit auf diese Art zu betrachten, besteht für Deutschland eine Möglichkeit einer großen Heilung.

Wie sähe eine solche Heilung aus?

Wir müssen unsere Vergangenheit ganz anders sehen. Letztlich muß man sagen können, was immer passiert ist: Es tut mir leid. Es geht immer darum, daß wir uns und anderen vergeben. Solange es noch diese Täter und Opfer gibt, gibt es auch noch Kampf. Wir müssen erkennen, daß wir wirklich diesen göttlichen Funken in uns tragen, und wenn wir erkennen, daß wir diese Erfahrungen wählen, die des Täters und die des Opfers, um zu lernen, daß wir uns nur gegenseitig weh tun. Wenn man das zutiefst erfahren hat, dann will man niemandem mehr weh tun. Das ist die Voraussetzung, daß wir irgendwann keinen Krieg und kein Morden mehr haben werden.

Haben Sie trotz Ihres Glaubens an die Wiedergeburt Angst vor Krieg, vor dem Tod?

Ja, ich bin schließlich ein ganz normaler Mensch. Aber ich bleibe deswegen nicht stehen und mache bestimmte Dinge nicht, sondern ich schaue weiter.

Sie sagten zuvor, jeder kreiere sich sein nächstes Leben selbst. Was für ein nächstes Leben kreieren Sie sich?

Es ist noch viel Hilfe auf diesem Planeten nötig. Ich glaube, daß ich gerne wiederkommen würde, um zu helfen.

Sie ziehen also einen Ausstieg aus dem Rad der Wiedergeburten nicht vor?

Nein. Ich möchte diese Erde wieder als Paradies erleben. Sie war, als wir sie erhielten, vollkommen, und ich möchte, daß es wieder so wird. Deshalb komme ich gerne zurück.

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