Sturm der Entrüstung-betr.: "Satanische Verse" im Wortlaut, taz vom 22.2.89

betr.: „Satanische Verse“

im Wortlaut

Wieviele sind unter Khomeinis Regime (ach, und anderswo) Opfer von Verfolgung, Folter und „Todesstrafe“. Wir sind gewohnt, solches als Randnotizen der internationalen Medien trockenen Auges an uns vorbeiflanieren zu lassen.

Von einem Sturm der Entrüstung aber fühlt sich die westliche Intelligenzija gebeutelt, als der schwarze Ayatollah Hand an ihr Heiligstes legt: ein Buch! die Kunst! die Freiheit der Kunst!, und mit entzücktem Entsetzen wird endlich froh‘ Botschaft verkündet: Nun ist er zu weit gegangen!

Der sich hehr gebende, aber trotz schwächlichen „Im Wortlaut„-Auszügen argumentationsarme Wunsch nach „möglichst weiter Verbreitung“ (23.2.89) der Satanischen Verse erscheint bedauerlicherweise gerade in Eurem Blatt als vertrotzter Reflex: Papa hat's verboten. Frohlocket! Ach je...

Rushdie soll leben. Erzähle mir keiner, es gehe um Rushdies Leben.

Esther, Frankfurt

Der Abdruck von Rushdies Texten war eine gute Tat, und das Buch gehört in Deutschland veröffentlicht. Nur, mich ärgert diese Bigotterie der inszenierten Empörung, wo alles, was schreiben kann, „1789“ aufführt und wo vom „freien Wort“ und der ebenfalls dazugehörigen Meinung die Rede ist, als sei das hier alles rundum so wahr und wirklich.

Als kürzlich über 2.000 Menschen in iranischen Gefängnissen blutig hingerichtet wurden, gab es keine Empörung, keine Titelseiten voll von Protest, im Gegenteil: Genscher fuhr nach Teheran, britische Botschaften wurden neueröffnet und ausgebaut, und die Tinte der Kontrakte für Handels- und Kulturabkommen wurden nicht trocken. Und als 20.000 Kurden durch westdeutsche chemische Kampfstoffe vergast wurden, da war von Sanktionen gegen den Irak von bundesdeutscher Seite aus nicht einmal die Rede.

Es gibt da auch einen kleinen Unterschied. Im einen Fall werden irgendwelche Leute hingerichtet, womöglich zu unserem Profit, weswegen uns das nichts macht. Im anderen Fall geht es auch nicht um Rushdie, sondern um „unsere“ Meinungsfreiheit, die es zwar unter uns auch nicht gibt, aber an die wir doch wenigstens dem Ayatollah gegenüber feste glauben sollen.

Hans Branscheidt, Frankfurt am Main

Also heftet sich eine Horde von fanatischen Persern an Rushdies satanische Fersen. Wie einst im Christentum mit den Ketzern vor 500 Jahren. Und wohl erst in 200 Jahren wird es einen islamischen Karlheinz Deschner geben, geben können, der die Kriminalgeschichte des Islams aufzeichnet.

Gott sei dank. Allah ebenfalls, die taz ist nicht so feige wie KiWi.

Heute ist die BRD ein zivilisiertes Land, die Zensur findet nicht statt, sie findet nicht durch Hinrichtung statt, sondern durch Mundtotmachung: Es gibt die einstweilige Verfügung, die Unterlassungsklage, die Freiheitsstrafe wegen Beleidigung, Verleumdung, Gotteslästerung, Verunglimpfung, Werbung für eine terroristische Vereinigung usw., es gibt das Berufsverbot, es gibt den RedakteurInnenstreik.

D.Ritchie, Berlin 12