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Pilz drin, Baum ab

■ Wie kommt der Pilz ins Holz? / Zweihundertjährige Bäume an der Schwachhauser Heerstraße gefällt / Gefällte Riesen nicht Opfer der Stadtautobahn

Der Bauarbeiter nimmt es gelassen: „Die Bäume sind kaputt, also müssen 'se weg.“ Und sein Kollege mit der Säge pflichtet ihm bei: „Dat hät nich mehr lang gedauert, und das Ding wär‘ jemand auf'n Kopp gefallen.“ Und die Passantin, die lange steht und zusieht, wie Ast für Ast auf den Boden fällt, sagt bedauernd: „Das is‘ natürlich traurich, aber was willste machen?“

Anscheinend ist niemand er

freut über die gefällten Rotbuchen an der Schwachhauser Heerstraße, schon gar nicht die BewohnerInnen des dahinter liegenden Appartment-Hauses, deren Wohnungen jetzt dem ungedämpften Lärm von der Hauptstraße ausgesetzt sind, und die von nun an tägtäglich ansehen können, daß der postmoderne Bau, in dem sie wohnen, schon nach wenigen Jahren ganz erheblich vom Zahn der Abgase angenagt ist. Die Frage, ob die Bäume nicht auch lästig gewesen seien, weil sie die Wohnungen nicht nur lärmdämmten, sondern auch weitgehend verdunkelten, weist eine Bewohnerin des Hauses empört zurück: „Wer Sonne will, muß an die frische Luft. Und wegen dem büschen Bremer Sonne zwei so schöne Bäume fällen? Wer das will, muß doch plem plem sein.“ Auch der Mann vom

Gartenbauamt bestätigt: „Hier freut sich niemand über den Abriß. Die sind alle entsetzt. Aber die Bäume sind mittlerweile so kaputt, daß sie zu einer Gefahr werden können.“ Er bückt sich und zeigt eine Scheibe aus dem einen Baum. Die Ränder sehen so aus, wie der Laie sich gesunde Baumringe vorstellt. Aber im Inneren, da wuchern Verwachsungen, die wie ungenießbare Pilze aussehen und schon abbröckeln, wenn man nur mit dem Fingernagel darüberkratzt.

„Das ist Weißfäule“, erklärt er, „die wächst vom Kern nach außen und hat so die beiden Rotbuchen zermorscht.“ Auf die AnwohnerInnen kommt aber nicht nur der neue ungewohnte Anblick der Schwachhauser Heerstraße zu, sondern auch die Rechnung für die Holzfällerei, immerhin gute 10.000 Mark. Der einzige

Trost: Schon bald wird mit einer Ersatzpflanzung neuer Rotbuchen begonnen werden. Die werden sich mit acht Metern Höhe und dreißig Zentimetern Umfang gegen die alten Prachtexemplare zwar eher schmächtig ausnehmen, aber der Mann vom Gartenbauamt strahlt Zuversicht aus: „Die werden sich schnell ordentlich ausmachen, denn sie legen im Jahr 50 cm zu.“ Da dauert es dann ja kaum 25 Jahre, bis sie so hoch gewachsen sind wie die gerade gekappten.

Mit der geplanten und zunächst auf Eis gelegten Stadtautobahn durch Schwachhausen haben die beiden gefällten Riesen nichts zu tun. Die Bäume, die für das Beton -Großprojekt fallen sollten, hat die Bürgerinitiative schon seit Monaten mit riesigen Sägen gekennzeichet. Noch stehen sie. FW

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