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Energieverbund-Verhandlungen unter Spannung

■ Kritik von Al und Energie-Initiativen an der SPD-Verhandlungsposition zum Thema Stromlieferungsvertrag mit der DDR / Streit über Vertrag auch zwischen Sozialdemokraten / Verhandlungsführer Mitzscherling will den Verbund, energiepolitischer Sprecher und Vorsitzender der energiepolitischen Kommission dagegen

Zu einem neuen Zankapfel in den Koalitionsverhandlungen von SPD und AL ist jetzt unerwartet der im März letzten Jahres zwischen der westdeutschen Preußen Elektra, der Bewag und der DDR-Gesellschaft Intrac ausgehandelte Stromlieferungsvertrag geworden.

Die AL und auch der Sprecher der in einem „energiepolitischen Ratschlag“ zusammengeschlossenen außerparlamentarischen Initiativen, Detlef Loy, warfen den Sozialdemokraten gestern vor, am Sonntag in der rot-grünen Verhandlungskommission „Energie und Umwelt“ mit eingebrachten „wachsweichen“ Kompromißformulierungen von der früheren gemeinsamen Forderung nach einer Rückgängigmachung des Vertrages abgerückt zu sein.

„Sofern die geschlossenen Verträge nicht zu modifizieren sind“, so der SPD-Vorschlag für eine Koalitionsvereinbarung, „soll die Stromabnahme nach dem Stromlieferungsvertrag jetzt ... so gestaltet werden, daß dadurch die Förderung der Energieerzeugung durch moderne Kraft-Wärmekopplungsanlagen und Blockheizkraftwerke sowie die weiteren Maßnahmen zur Energieeinsparung und rationellen Energieverwendung gefördert werden“. Langfristig solle der Stromlieferungsvertrag, in dessen Rahmen der bundesweit größte AKW-Betreiber Preußen Elektra ab 1992 eine Milliarde Kilowattstunden an die Bewag verkaufen will, in einen „echten Ost-West-Stromverbund“ umgewandelt werden.

Dagegen hatte die AL vergeblich eine Formulierung durchdrücken wollen, nach der der Vertrag „aus grundsätzlichen energiepolitischen und ökologischen Erwägungen rückgängig gemacht werden“ müsse.

Der Senat strebe statt dessen örtliche Verbundsysteme mit der DDR und Ost-Berlin bei Strom, Gas und Wärme an, heißt es abschließend in Anlehnung an das SPD-Wahlprogramm.

Offensichtlich seien die Sozis auf Druck ihres rechten Wirtschaftsflügels und möglicherweise auch des DGB von dem Wahlprogramm abgerückt, kommentierten enttäuschte AL -Verhandler. In dem als zentral für die umweltpolitischen Ziele der AL erachteten Punkt eines Versuchs zur Rückgängigmachung des Stromvertrages werde man aber auf keinen Fall Konzessionen machen.

Entsprechend scharf ist auch die von dem Sprecher der Energie-Initiativen verfaßte Resolutionsvorlage zum Versand an diverse AL-Gremien gehalten: Setze die SPD sich mit der kritisierten oder einer ähnlichen Formulierung durch, werde allen AL-Mitgliedern empfohlen, sich gegen eine Koalition mit der SPD auszusprechen, lautet der Forderungsvorschlag.

Auf die Ankündigungen bezugnehmend sprach der dem rechten Flügel seiner Partei zugeordente Berliner SPD -Bundestagsabgeordnete und Wirtschaftsexperte Mitzscherling gestern allerdings vorsichtig von einer noch ausstehenden „Prüfung“ der AL-Formulierunmgen in der rot-grünen Verhandlungskommission Wirtschaft, die am Abend unter seiner Beteiligung tagen sollte.

Er sei immer einer derjenigen gewesen, die für den noch ausstehenden „Stromverbund“ gekämpft hätten, machte Mitzscherling indes seine Position deutlich. In diesem Zusammenhang rückte er auch scharf die Haltung des energiepolitischen Sprechers der eigenen Partei-Fraktion, Behrendt, und des Vorsitzenden der energiepolitischen SPD -Kommission, Kreibich.

Die von den beiden ein paar Tage vor den Wahlen verkündete Forderung nach einer „Rückgängigmachung bzw. Änderung“ des Vertrages „entsprach nicht der Beschlußlage der Partei“, behauptete Mitzscherling.

Das sehe er ganz anders, so gestern wiederum der ob dieser Äußerung verärgerte Kreibich. „Der Stromlieferungsvertrag ist für mich auch ganz klar ökonomisch nicht sinnvoll, insofern kann ich Mitzscherling nicht verstehen“, erklärte Kreibich. Die vereinbarten Lieferungen seien „unwahrscheinlich teuer“, verbauten Chancen zur Schaffung von zukunftsträchtigen Arbeitsplätzen und ständen auch einer Technologie zur rationellen Energieverwendung entgegen.

thok

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