: Gelähmtem droht Abschiebung
■ Schwerverletzter Libanese soll trotz ärztlicher Gutachten abgeschoben werden / Senat wirft AL-Funktionärin in einem anderen Abschiebefall „Filz“ vor
Einem schwerbeschädigten Libanesen droht die Abschiebung in sein Heimatland, obwohl ärztliche Gutachten vorliegen, die dem jungen Mann eine außerordentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands prognostizieren, falls er nicht hier weiterbehandelt wird. Herr A. erlitt beim Bürgerkrieg im Libanon ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit Halbseitenlähmung.
Durch eine intensive ärztliche Behandlung konnte inzwischen eine mäßige Regeneration der muskulären Kräfte erreicht werden. Das Deutsche Institut für ärztliche Mission bestätigte, daß eine Unterbrechung der ärztlichen Behandlung von Herrn A. katastrophale Folgen haben würde. Solche Rehabilitationsmaßnahmen könnten im Libanon nicht durchgeführt werden. Das Institut äußerte die Befürchtung, „daß die Behandlung aufhören und er bald versteifen würde“. Vom menschlichen und medizinischen Gesichtspunkt wäre es unverantwortlich, den Libanesen abzuschieben. Auch medico international wies darauf hin, daß eine fachärztliche Betreuung im Libanon zur Zeit nur sehr eingeschränkt möglich sei. Trotz dieser Stellungnahmen stellte sich der Innensenator auf den Standpunkt, A. könne sich durchaus in seiner Heimat behandeln lassen. Zur Zeit sei jedoch, so die Pressestelle des Innensenats gestern zur taz, eine Abschiebung nicht aktuell. Man werde auf jeden Fall vorher seine Reisefähigkeit prüfen.
A. war im Februar 1985 aus dem Libanon geflohen. Sein Asylantrag wurde 1986 rechtskräftig abgelehnt. Inzwischen hat er Deutsch gelernt und wollte in kürze eine Aufnahmeprüfung für ein Studium ablegen. Die Ausländerbehörde wies seinen Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung zu Studienzwecken ab. Wenn die Klage, die der Rechtsanwalt Mitte Februar eingereicht hat, abgelehnt wird, kann der gelähmte Mann innerhalb von sechs Wochen abgeschoben werden.
AL-Filz vermutet
Der scheidende Innenstaatssekretär Müllenbrock wittert bei der AL in einem weiteren Abschiebefall Familienfilz. Bei dem Versuch, die Abschiebung des Kurden Cemal Sevim zu verhindern, habe das AL-Ehepaar Nitz-Spatz eine dubiose Rolle gespielt, behauptet Müllenbrock. Die AL-Abgeordnete Sabine Nitz-Spatz habe sich über einen Beschluß des Petitionsausschusses hinweggesetzt und eine Protestgruppe auf dem Flughafen Tegel „angeführt“. Ihr Ehemann, Johannes Spatz, noch Gesundheitsstadtrat in Wilmersdorf, habe den Abschiebehäftling für flugunfähig erklärt, nachdem er das Gutachten des Polizeiarztes angezweifelt habe. Johannes Spatz war gestern abend nicht mehr zu einer Stellungnahme zu erreichen.
RiHe
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