: ENTWICKLUNG STATT ANPASSUNG
■ Hungerstreik für Entlassung oder Verlegung
Hiermit möchte ich in aller Öffentlichkeit ankündigen, daß ich am 15.2.89 mit dem Hungerstreik angefangen habe.
Meine Forderung ist eine Verlegung in eine Therapieeinrichtung für abhängige Frauen oder eine sofortige Verlegung in die Nervenklinik.
Ich befinde mich seit dem 23.5.85 in der Vollzugsanstalt für Frauen („Erststrafer“) und ich möchte hinsichtlich der noch offenstehenden Strafrestzeit von ca. 19 Monaten statt das sogenannte Frauengefängnis eine sofortige Verlegung erreichen.
Die zurückliegenden vier Jahre innerhalb dieser Anstalt haben meinem Gesamtverhalten keinen positiven Dienst erwiesen. Eine sogenannte Resozialisierung fand hier weder durch gezielte Gruppenarbeit, geschweige denn durch Einzeltherapie statt. Der interne monotone Alltagsablauf setzt ausschließlich Anpassungsbereitschaft voraus, persönliche Entwicklungsmöglichkeiten werden total unterbunden. Es ist an der Zeit, diesem ewig währenden Dilemma ein Ende zu setzen. Ich möchte meinen Wunsch zum Ausdruck bringen, durch eine spezielle Therapie, die ich über eine längere Zeit durch geschultes Personal intensiv erfahren könnte, Positives für mich und meine Zukunft zu erfahren. Auch hatte ich unregelmäßig Kontakt zu internen Psychologen, jedoch gestalteten sich diese Gespräche konzeptlos und sie boten mir keinerlei Hilfestellung zu meiner Persönlichkeitsentfaltung. Bezugnehmend auf das Urteil vom November 1985 möchte ich hinzufügen, daß auch in diesem durch die anwesenden Sachverständigen (Dr.Giese von der KBON und Prof.Dr.Peitzcker, Klinik Charlottenburg) von einem langjährigen Verwahrvollzug abgeraten und daß eine therapeutische Zuwendung als weitaus sinnvollere Hilfeststellung empfohlen wurde.
Gabriele Gollnow, Berlin-Plötzensee
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