: Standbild: Immer die Mitleidsdrüse
■ Kinder der Welt
(Kinder der Welt, Dienstag, 27.2., 21.15 Uhr, ARD) Wenn sich die deutschen Männer einmal an den Kriterien messen würden, nach denen sie die türkischen beurteilen, müßte Deutschland zum Paradies für Frauen werden. So geißelt Gordian Troeller in seiner Fernseh-Reportage Kinder der Welt - Die Deutschländer die türkischen Väter von Rückkehrer-Kindern als Weltmeister in der Selbstherrlichkeit. Als sei dieses Phänomen in der Bundesrepublik unbekannt, hielten sich die Männer in der Türkei für „die Krönung der Schöpfung“. In den Familien der Rückkehrer seien es immer die Männer, die zurück in die Heimat wollten. Ihre Frauen und Kinder blieben dagegen lieber in der bundesrepublikanischen Wohlstandsgesellschaft.
Der Schwerpunkt der Reportage lag - wie es sich für einen Bericht über Kinder in islamischen Familien gehört eindeutig auf der Unterdrückung der türkischen Mädchen. Zwischen den Interviews gab es immer wieder die üblichen Bilder von Männern im Cafe und Kopftuchfrauen bei der Arbeit. Zum Glück jedoch verharrte Troeller nicht nur in dieser Schablone. Unter den zahlreichen Töchtern von Rückkehrer-Familien, die er zu Wort kommen ließ, gab es auch vereinzelte zufriedene Stimmen. So erzählte eine junge Frau, daß sie von sich aus unbedingt einen türkischen Mann heiraten wollte und deshalb gern zurückgekommen sei. Mit dem Bräutigam, den ihre Eltern für sie aussuchten, habe sie sich auf Anhieb gut verstanden.
Manche dieser jungen Frauen hätten in der Türkei sogar mehr Freiheiten als in der Bundesrepublik. So läßt es eine Familie zu, daß sich die Tochter schminkt und im Dorf ohne Kopftuch herumläuft. Jeder kenne dort jeden, und die dörfliche Gemeinschaft in der Türkei achte - im Gegensatz zur Bevölkerung in den deutschen Städten - auf die Tugend des Mädchens.
Warum nicht noch mehr positive Beispiele oder gar einmal ein positiver Ansatz? Warum muß bei türkischen Mädchen immer auf die Mitleidsdrüse gedrückt werden? Eines Tages werden es bestimmt die früheren Töchter der Deutschländer sein, welche in der Türkei die Familienstrukturen neu bestimmen werden.
Elisa Klapheck
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