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Dumpf, dumm und braun

Hessens Kommunalwahlkampf in der heißen Phase / NPD mit Hetzparolen gegen Ausländer, Asylsuchende und Abtreibung / CDU avanciert zur „Tarnorganisation rechtsradikaler Gesinnung“  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Der Geldsack des rechtsradikalen Großverlegers Gerhard Frey, Chef der mit der NPD liierten „Deutschen Volksunion“ (DVU), hat sich auch für den Kommunalwahlkampf in Frankfurt weit geöffnet: Die NPD profitiert im Vorfeld der hessischen Kommunalwahlen am 12. März von der Großzügigkeit des braunen Geldgebers. Die Wahlkampfzeitung 'Deutsche Stimme‘, deren Chefredakteur NPD -Sprecher Karl-Heinz Vorsatz ist, wird von der Post an alle Haushalte der Mainmetropole verteilt. Die Lautsprecherwagen mit der NPD-Spitzenkandidatin Uschi Gerhold (33) im „Führerhaus“ rollen pausenlos durch die Stadtviertel mit hohem Ausländeranteil, im Gallus, im Ostend und in Sindlingen. „Deutschland den Deutschen - Stoppt die Ausländerflut“, quäkt die braune Uschi durch das Megaphon und streichelt dabei ihren deutschen Schäferhund „Phönix“, mit dem sie im weißen Blüschen mit Unschuldskragen für die 'Deutsche Stimme‘ posierte. Die Kassiererin Uschi Gerhold stammt aus einer sudentendeutschen Familie und ist im Tierschutz aktiv. Tierversuche hält sie für „entsetzlich“. Tiere seien für Stadtmenschen „oft die einzige Ansprache“. Ihr Schäferhund gehorche aufs Wort, verrichte nicht in Sandkästen sein Geschäft und finde seinen Auslauf am Stadtrand.

Programmatisch agitiert dagegen Winfried Krauß (42), Platz 2 der NPD-Liste, die WählerInnen: „Asylanten raus“ und „Sauberkeit in die Stadtverwaltung“, Frankfurt müsse eine „deutsche und anständige“ Stadt bleiben. „Arbeitsplätze für Deutsche“ will der Listensenior schaffen, die Wohnungsnot beseitigen und sich um die „vereinsamten Alten“ kümmern.

Um die Palette der populistischen Forderungen der NPD abzurunden, bekennt sich Christiane Ringmeyer (20), Platz 3 der Liste, zum „Leben vor der Geburt“. Das ungeborene Kind werde „recht- und schutzlos durch die Gesetzgebung zum Tode durch Ersticken, Zerreißen oder Absaugen verurteilt“. Sorge macht ihr auch die Überfremdung Deutschlands, denn Ringelmeyers Töchterlein soll auch dann noch ein „deutsches Deutschland vorfinden“, wenn es einmal erwachsen ist. Die politische Karriere der „Jungen Nationaldemokratin“ (JN) vollzog sich im nahtlosen Übergang von der Jungen Union zu den Jungen Nationaldemokraten. Hier ist ihre „dauerhafte, politische Heimat“.

Daß die NPD bei ihren Spitzenkandidaten auf die „junge Garde“ (Vorsatz) setzt und die alten Ritterkreuzträger und Stalingradkämpfer auf die hinteren Ränge verbannte, hat seinen Grund: Bei der Analyse der Ergebnisse der Landtagswahlen in Baden-Württemberg, fand die NPD heraus, daß die Partei bei den 18- bis 30jährigen auf 13 Prozent der Stimmen kam. Die jungen Arbeiter und die enttäuschten CDU -Wähler sollen jetzt die NPD in Frankfurt über die Fünf -Prozent-Hürde katapultieren. Die Ausländerproblematik lasse vor allem die Jugendlichen zur NPD strömen, meinte NPD -Sprecher Vorsatz, „und die NPD ist neben den Grünen die einzige Partei mit einem weit überdurchschnittlichen Ergebnis bei den Jungwählern“. Da darf in der 'Deutschen Stimme‘ denn auch nicht der Verweis auf die „Wohnungsnot der ordentlichen und fleißigen Studenten“ fehlen. Seit Chaoten und Autonome die ganze Studentenschaft in Verruf gebracht habe, gebe es kaum noch „Studentenmütter“, die möblierte Zimmer untervermieten.

Auch wenn die NPD mit ihren aggressiven Hetzparolen gegen AusländerInnen und AsylbewerberInnen in Frankfurt an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern sollte, hat die NPD schon jetzt in der hessischen CDU einen ideologischen Erdrutsch verursacht. Seit Wochen versuchen OB Wolfram Brück und Walter Wallmann, sich mit ausländerfeindlichen Äußerungen zu profilieren. So hat die CDU in einer Zeitungsanzeige den Wortlaut einer NPD-Anzeige übernommen. Die Grünen im hessischen Landtag warfen dem christdemokratischen Duo denn auch gestern vor, sich zu „geistigen Ziehvätern der Neonazis“ zu machen und sich selbst vor dem „Griff in die braune Mottenkiste“ nicht länger zu scheuen. Die CDU entwickele sich zur „Tarnorganisation rechtsradikaler Gesinnung“.

Die NPD klopft sich derweil vor Lachen auf die Schenkel. Sie sieht ihre These bestätigt, daß die Etablierten auf nichts so allergisch reagierten, wie auf Stimmenzuwachs im nationalen Lager. Der Rechtsruck der CDU nach dem Wahlerfolg der Republikaner in Berlin habe der NPD einen „ungeheueren Schub“ gebracht und der Partei bei den WählerInnen einen „Seriositätsbonus“ beschert.

Nachdem eine in der letzten Woche vom Metropolenmagazin 'Pflasterstrand‘ veröffentlichte Umfage das Republikaner -Sympathisantenpotential mit 16 Prozent angab, träumen die braunen Ideologen in der Parteizentrale „Zur Schönen Aussicht“ denn auch schon von einem „Berliner-Ergebnis“ für die NPD. Nein, nicht von dem Republikaner-Wahlergebnis, sondern von dem der AL: „NPD-Stimmen sind Igel-Stimmen. Jede Stimme ein Stachel.“

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