Dank Gentechnik: Biowaffen nach Maß

■ In den USA wird zügig an einer neuen Generation biologischer Waffen gearbeitet

1972 fiel es über 100 Staaten - Nato und Warschauer Pakt inklusive - leicht, eine internationale Konvention zu unterzeichnen, die die Herstellung von biologischen Waffen verbietet. Schließlich ließen sich die produzierten Seuchen nur schwer auf den Gegner begrenzen. In den achtziger Jahren hat sich das Bild gewandelt: Gentechnisch manipulierte Bakterien und Schädlinge sind in Reichweite der Forscher gerückt, das spezielle Design kann auf Zeit, Ort und Gegner abgestimmt werden.

Frühjahr 1990. In Nicaragua feiern die Sandinisten den ersten Lichtblick in der wirtschaftlichen Lage des Landes seit Ende des Contra- Krieges. Spitzen-Kaffeerträge werden zu Rekordpreisen verkauft, weil Brasiliens halbe Kaffeernte erfroren ist. Den wirtschaftlichen Erfolg Nicaraguas will der US-amerikanische Geheimdienst nicht zulassen.

Auf eigene Rechnung beauftragt die CIA bei der Armee angestellte Molekularbiologen, eine Methode zu finden, mit der Nicaraguas nächste Kaffeernte zerstört werden kann. Die Gendoktoren entwickeln eine neue Linie des Kaffeerosts eine Pilzerkrankung, die Ende des letzten Jahrhunderts die Kaffeeindustrie Ceylons zerstörte.

Heute kann sie mit chemischen Kupfer-Fungiziden kontrolliert werden. Nach einigen Monaten gelingt es den amerikanischen Forschern, im Armeelabor eine Kaffeerostart herzustellen, die ein Eiweiß ausscheidet, das Kupfer bindet. Damit macht der Schädling die herkömmlichen Kupfer-Fungizide unwirksam. Lediglich Carbamate, die in Nikaragua aber nicht erhältlich sind, wirken gegen das gentechnische Novum.

In einer geheimen Operation, von der CIA gesteuert, infizieren Contratruppen Nicaraguas Kaffeeplantagen mit dem im Labor hergestellten Kaffeerost. Bis die Sandinisten feststellen, daß Kupfer-Fungizide nicht wirken und Carbamate aus der DDR eingeflogen werden können, sind schon siebzig Prozent der Kaffeernte verloren. Notwendige Importe können nicht mehr finanziert werden, die Rationierung von Grundnahrungsmitteln muß verstärkt werden. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung steigt ...

Forschung verfünffacht

Mit diesem Zukunfts-Szenario warnen der amerikanische Wissenschaftsjournalist Charles Piller und der Molekularbiologe Keith Yamamoto in ihrem Buch Gene Wars (Genkriege) vor einer gefährlichen Entwicklung in der Biowaffenforschung. Auffallend stark interessiert sich das US-Verteidigungsministerium seit einigen Jahren für die neue Gentechnologie. „Geradezu erschreckend ist es“, sagt Yamamoto, „daß die Armee heute der zweitwichtigste staatliche Auftraggeber für Forschungsprojekte in der Gentechnologie ist.“

Insgesamt hat sich das Budget für biologische Waffenforschung seit Beginn der Regierung Reagan 1980 von 63 Millionen Dollar auf 334 Millionen Dollar 1987 erhöht. Die Waffenschmiede im Pentagon sind offensichtlich der Ansicht, mit der Gentechnologie das perfekte Werkzeug für den Bau der endgültigen Biowaffe gefunden zu haben, „einer Waffe, die von ihren Opfern nicht gebremst, aber von ihren Herstellern kontrolliert werden kann“ (Yamamoto).

Wie die perfekte Biowaffe aussieht, sollte der Waffenexperte Raymond Zilinskas von der Rand Corporation im Auftrag des Pentagon erkunden. Sein Schluß: Sie muß so wie das Myxomatose-Virus wirken, das Australien einst von seiner Karnickelplage befreite. Karnickel sind in Australien nicht heimisch. Als sie 1859 auf den Kontinent gebracht wurden, fanden sie keine natürlichen Feinde vor und vermehrten sich ... wie die Karnickel. Landwirte gingen bankrott, weil die unersättlichen Tiere ihnen die Felder kahl fraßen.

Besiegt wurde die Plage glücklich mit einer „biologischen Waffe“, dem Myxomatose-Virus. Das Virus ist harmlos für alle Tiere und Pflanzen - außer für Karnickel. Es wirkt bei neunzig Prozent der Tiere tödlich, und viele der Überlebenden sind steril. Als „stabil und leicht zu verteilen“ preist Zilinskas die Traumwaffe, außerdem „kann das Myxomatose-Virus durch die Verwendung zu bestimmten Jahreszeiten und Beachtung geographischer und ökologischer Faktoren kontrolliert werden“.

Sogar einen Impfstoff gegen Myxomatose gibt es. Der jedoch ist fest in Menschenhand und dem Feind Karnickel nicht zugänglich. Außerdem wäre es für die Australier ein leichtes, den „Biowaffeneinsatz“ vor dem Rest der Welt zu verheimlichen, denn das eingesetzte Myxomatose-Virus ist mit heimischen Viren verwandt. Die Epidemie hätte also auf natürliche Weise entstehen können.

Trotz jahrzehntelanger Forschung ist es nicht gelungen, eine Biowaffe herzustellen, die dem „Ideal“ so nahe kommt wie das Myxomatose-Virus. Die Erreger von Milzbrand und Beulenpest zum Beispiel, etablierte Posten im Biowaffenarsenal, bleiben auf lange Zeit in der Umwelt bestehen. Die Beulenpest kann durch Ratten und Flöhe über große Gebiete verbreitet werden, und Milzbrand überlebt jahrzehntelang in Form von ruhenden Sporen, die jederzeit wieder infektiös werden können.

Die Gefahr, daß der Angreifer selbst oder seine Alliierten versehentlich infiziert werden, ist groß. Außerdem ist ein natürlicher Ausbruch dieser Krankheiten unwahrscheinlich, so daß der Angreifer leicht in die mißliche Situation geraten kann, sich wegen des Biowaffeneinsatzes vor der Weltbevölkerung verantworten zu müssen.

Diese Nachteile herkömmlicher biologischer Waffen sollen nun mit Hilfe der Gentechnologie behoben werden. Gelingt es den Gendoktoren des Pentagons beispielsweise, den Erreger des Milzbrandes so zu manipulieren, daß er bei bestimmten Wetteränderungen abstirbt, dann ist sein Einsatz weit besser kontrollierbar als bisher. Der Staatssekretär im US Verteidigungsministerium Douglas Faith frohlockte schon: „Die gleiche Technologie (Gentechnologie, d.Red.), die sogenannte 'Designer-Drogen‘ ermöglicht, ermöglicht auch 'Designer-Biowaffen‘.“

So attraktiv erschien die Gentechnik Reagans Verteidigunsminister Caspar Weinberger, daß er über Jahre hinweg mit viel Lug und Trug Kongreß und Bevölkerung von der Notwendigkeit eines erweiterten Biowaffenprogramms zu überzeugen suchte. „Wir erhalten immer wieder Hinweise, daß die Sowjetunion ihre Biowaffenforschung fortführt und zur Expansion des Programms die moderne Gentechnologie erkundet“, hieß es in einer Hochglanz-Broschüre des Pentagon. Beweise gab es nicht.

Angriffswaffen

Mitarbeiter der Armee wie der Molekularbiologe David Huxsoll behaupten zwar bis heute, sie betrieben nur defensive Biowaffenforschung. Kritiker Yamamoto dagegen kann einige Forschungsprojekte nennen, die beim besten Willen nicht defensiver Natur sind. Dazu gehören die erfolgreiche Entwicklung eines Aerosols, mit dem tödliche Pilzerreger per Sprühflasche auf Mäuse übertragen werden, sowie Untersuchungen daüber, wie Erreger mittels Interkontinentalraketen an ihren Bestimmungsort gebracht werden könnten.

Zuweilen, meint Yamamoto, wird die potentielle offensive Nutzung harmlos erscheinender Forschungsaufträge erst deutlich, wenn sie in Verbindung mit anderen Projekten gesehen werden. So erhielt ein Wissenschaftler an der Stanford-Universität vom Militär den Auftrag, das Gen eines krankheitserregenden Bakteriums in das harmlose Kolibakterium einzusetzen, das in der menschlichen Darmflora auftritt. Die manipulierten Kolibakterien bekommen die Fähigkeit, sich in der gleichen Weise wie der Krankheitserreger an Zellen anzuheften. Schädlich wirken sie immer noch nicht, denn ihnen fehlen die entscheidenden Erreger-Gene.

Mittlerweile sind aber Wissenschaftler am Walter Reed Forschungsinstitut der Armee damit beschäftigt, Koli- und andere harmlose Bakterien genetisch mit dem Ziel zu modifizieren, ihnen „beliebige krankheitserregende Eigenschaften“ zu verleihen. Erst die Kombination beider Projekte ermöglicht offensichtlich die Entwicklung einer neuen Generation von Biowaffen mit den Methoden der Gentechnik.

Einst wurden Brunnen mit Tierkadavern vergiftet und die Leichen von Pestkranken über die Stadtmauern des Feindes geworfen. In jüngerer Zeit hat Kuba wiederholt behauptet, die USA versuche, die Wirtschaft des Landes mit biologischen Methoden zu ruinieren. In der Tat gibt es reichlich Indizien dafür, daß die kubanische Schweineseuche von 1971 durch Castro-Gegner mit Unterstützung der CIA eingeschleppt wurde. Heute ist die Vernichtung der nicaraguanischen Kaffeernte mit gentechnisch manipulierten Schädlingen nicht mehr das Hirngespinst hartgesottener Krieger. Das Szenario kann schon morgen Realität werden.

Silvia Sanides (Washington)