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Was ist multikulturell?-betr.: "Kritik am Helfersyndrom gegenüber Ausländern", taz vom 13.2.89, Leserinnenbriefe vom Verband von Kinder- und Jugendprojekten, taz vom 18.2.89

Betr.: „Kritik am Helfersyndrom gegenüber Ausländern“, taz vom 13.2.89, LeserInnenbriefe vom Verband von Kinder- und Jugendprojekten und Jutta Prill, taz vom 18.2.89

Die beiden LeserInnenbriefe haben gezeigt, daß sie wieder einmal die typische Vertuschung der wahren Konflikte darstellen. Da wird behauptet, wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft, aber die Betroffenen sind nicht in der Lage, das zu bewerkstelligen oder verwirklichen. Die ImmigrantInnen leben in der Minderheit und die Deutschen schreiben ihnen vor, was multikulturell sein soll. Bringen die ImmigrantInnen einmal ihre Stimme ein, kritisieren die Denkweise der deutschen SozialarbeiterInnen, lassen sich diese nicht auf die einzelnen Argumente ein, sondern verschanzen sich hinter dem schönen Schein der sogenannten Multikulturalität. Was ist multikulturell? Ist es multikulturell, wenn Deutsche in der Mehrheit sind und dazu noch den ImmigrantInnen beibringen wollen, was multikulturell sein soll?

In einer Gesellschaft, in der Rassismus und rassistische Ausländergesetze und die Machtverhältnisse der Alternativszene gegenüber den Minderheiten in SO 36 die Sozialarbeit/das Helfersyndrom das Gebilde dieser Gesellschaft bestimmen, kann von einer multikulturellen Gesellschaft keine Rede sein. Die Bemühungen für eine solche Gesellschaft sind zum Scheitern verurteilt, da die Alternativen sich mit ihrer Vergangenheit nicht auseinandersetzen wollen, und das kann nur zur Aufrechterhaltung dieser Machtverhältnisse und der arroganten Denkweise gegenüber den verschiedenen Kulturen führen.

Projektleiterin Jutta Prill geht auf kein einziges Argument in dem Artikel ein, sondern wirft der Autorin persönliche Probleme vor. Statt daß sich Jutta als Deutsche fragt, warum die Zusammenarbeit mit türkischen Kollegen bei ihr nicht klappt, wirft sie der Autorin das gleiche Problem vor. Gleichfalls auf der sorgenvollen Ebene macht sich Jutta Gedanken über mein psychisches Wohlbefinden statt über meine politischen Argumente.

Zur Information: Ich fühle mich gut und würde mich noch besser fühlen, wenn endlich mal die Argumente der ImmigrantInnen ernst genommen würden, statt sich immer in psychologisierenden Verallgemeinerungen unangreifbar zu wähnen.

Sükrü A.

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