piwik no script img

Feministische Ökonomie - was ist das?

■ Auf dem ersten Feministischen Ökonomieforum in Berlin wurden mehr Fragen gestellt als Antworten gegeben Identifikation mit ihrer Arbeit ist Frauen am wichtigsten / Auch in Frauenprojekten gibt es Reibereien

Petra Dubilski

Sollten wir uns aus der Warengesellschaft verabschieden, um zu ganzheitlichen Kleinstrukturen ohne Markt und Ausbeutung zu kommen? Oder nehmen wir die Position der provokativen Affirmation ein, fordern die Hälfte des Reichtums?“ Birgit Cramon-Daiber vom Frauennetzwerk „Goldrausch“ umriß mit ihren Fragen die Schwierigkeiten von Feministinnen, einen eigenen ökonomischen Standort jenseits der Diskussion um bezahlte oder unbezahlte Frauenarbeit zu finden.

Auf dem 1.Feministischen Ökonomieforum in Berlin versuchten etwa 200 Frauen trotz ihrer unterschiedlichen Ansätze ein gemeinsames Ziel herauszuarbeiten. „Goldrausch“ hatte am letzten Februar-Wochenende zu diesem Forum eingeladen, um eine feministische Kritik der herrschenden Ökonomie, aber auch utopische Entwürfe zu diskutieren. In mehreren Arbeitsgruppen wurden Themen wie Theorien und politische Strategien, Arbeitsmarktentwicklung und Berufssegmentation, die Wirklichkeit der Frauenprojekte sowie die Wirtschaftsentwicklung der Frauen weltweit diskutiert.

Doch viel Neues förderten die Diskussionen nicht zutage. Zwar postulierte die österreichische Ökonomin Luise Gubitzer, daß sich eine feministische Ökonomie gegen das expansionistiche Paradigma hin zu einer ökosozialen Wirtschaftsentwicklung zu wenden habe, aber das Konzept für eine andere Ökonomie gebe es noch nicht. Das müsse erst aus einer breiten Kommunikation hervorgehen, an der Frauen aktiv und gleichberechtigt teilnehmen könnten. Mehr Fragen als Antworten

Den unterschiedlichen Interessen der Teilnehmerinnen entsprechend bestand die Kommunikation zunächst mehr aus Fragen denn aus Antworten. Welche Arbeitsbegriffe haben wir? Was stellen wir uns überhaupt unter Arbeit vor? Einmütigkeit herrschte darin, daß die Arbeit immer der Selbstverwirklichung zu dienen habe, daß eigenen Bedürfnissen in der Arbeit zum Ausdruck kommen sollten. Das forderte allerdings bereits Karl Marx, auch wenn er weibliche Bedürfnisse nicht berücksichtigt hatte. Jeder das Ihre also.

Identifikation mit der Arbeit hat - so der Tenor in der Arbeitsgruppe, die sich mit Frauenprojekten beschäftigte ohne Zweifel den höchsten Stellenwert. Aber die wenigsten Frauen haben das Glück, einen solchen Arbeitsplatz zu finden. Ein Frauenprojekt könne vielleicht eine Lösung sein, vorausgesetzt materielle Existenzbedingungen seien sekundär, das kuschelige Wir-Gefühl dagegen primär. Aber auch diese Kuscheligkeit erwies sich - so die Frauen der AG „Frauenprojekte“ - häufig als Illusion. Selbstverständlich gibt es auch in Frauenprojekten Reiberein, Kompetenzgerangel und Zusammenbrüche. Geld beziehungsweise der Mangel an solchem ist oft der Anlaß für Streitigkeiten. Eine konkrete Strategie, wie Arbeitsbedingungen und -organisation zu Strukturen sind, um dem Reibungsverlust zu entgehen, war ansatzweise nur in den gewerblichen Projekten zu finden. Die Konzentration auf das materielle Überleben, auch die Abwendung von der Maxime, für die Frauen zu arbeiten, sich statt dessen dem Markt zu öffnen, führe - so die Diskutantinnen der AG - zu einer betrieblichen und ökonomischen Stabilität. Trotz - oder vielleicht gerade wegen - dieser Vielschichtigkeit beschränkte sich die zentrale Forderung der Arbeitsgruppe „Frauenprojekte“ auf mehr Informationen über Geldbeschaffung, das heißt, welche „Töpfe“ wo und wie zu nutzen sind. An Terrain gewonnen

Jenseits der angestrebten Autonomie in selbstverwalteten Betrieben und trotz der konstatierten Benachteiligung der Frauen im Erwerbsleben wurde, wenn auch unter ungläubigem Murren des Publikums, zugegeben, daß Frauen in den letzten Jahren an Terrain gewonnen haben. Leitungsfunktionen, speziell im Bank- und Versicherungswesen, die von Frauen besetzt werden, sind längst keine Seltenheit mehr. Strukturwandel sowie Flexibilisierung der Arbeitszeit und der Trend zur Dienstleistungsgesellschaft könnten zudem vermuten lassen, so Michaele Schreyer vom Institut für Wirtschaftsforschung in München, daß Frauen zunehmend Beschäftigungsgewinnerinnen seien. Aber das, so Michaele Schreyer, sei ein Irrtum. Zwar würde dieser Trend die Beschäftigungsmöglichkeiten von Frauen verbessern, die geschlechtsspezifische Teilung des Arbeitsmarktes bleibe jedoch bestehen. Auch die Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit sowie ein größeres Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen wäre letztlich Augenwischerei. „Teilzeitarbeitende Frauen arbeiten oft unter ihrer Qualifikation“, kritisierte Michaele Schreyer. Zudem wären sie nach wie vor für die Reproduktion der Familie allein zuständig.

Der Ruf nach Lohn für Hausarbeit, seit mehr als zehn Jahren kontrovers diskutiert, dürfte dann auch von seiten einiger Teilnehmerinnen nicht fehlen. Ein Ruf, der auch in Politikerkreisen nicht ungehört verhallte. Erziehungsgeld und die Anerkennung von Ausfallzeiten durch die Erziehung von Kindern für die Rente sind sicherlich nicht zu verachten. Von der Anerkennung der Reproduktionsarbeit als gesellschaftliche Arbeit sind diese staatlichen Bonbons allerdings weit entfernt. So stellten auch einige Teilnehmerinnen in der Diskussion die Frage, ob Hausarbeit überhaupt gemessen werden solle, da auf diese Art die patriarchale Ökonomie nicht in Frage gestellt, sondern sogar anerkannt werde. Eine Einigung wurde auch in diesem Ökonomieforum nicht erzielt: Der Konflikt ist so alt wie die Forderung selbst.

Eine Feministische Öionomie wurde auf dem Forun nicht entwickelt. Die gemeinsamen Forderungen nach dreitägiger Diskussion sind mager: Gelder für Gutachten sollen bereitgestellt werden, um eine frauenfreundliche Veränderung der Wirtschaftspolitik zu erarbeiten. Auch verbindliche Frauenförderungspläne in der Wirtschaft und mehr Beratung für Frauenbetriebe werden von den Frauen erwartet. Ob diese Forderungen Gehör finden, wird sich auch dem geplanten 2.Feministischen Ökonomieforum zeigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen