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„So schnell vorbeigegangen“

■ Rolf Meyer, seit 40 Jahren Opernchorsänger, hat Chorleiter und Intendanten kommen und gehen sehen und in mehr als 7000 Auftritten nahezu das komplette Opernrepertoire gesungen

Als die Welt in Trümmern lag, die kalten Winter durch den Norden pfiffen und auch die Zurückgekehrten noch nicht wieder in Speck und Stellung standen,

schlichen sich junge Bremer zu ihren Chören, um sich mittels der innerlichen Hitze zu wärmen, die entsteht, wenn der Atem aus der Brust gepreßt wird und die

Stimmbänder zum Schwingen bringt.

Ein junger Mann, der sich da durch die Nacht schlich, Notenpacken unterm Arm, war Rolf Meyer. Er hatte Glück, eines Tages bot sich ihm die Möglichkeit, im neu aufzubauenden Bremer Opernchor auszuhelfen. Er griff zu, verschaffte sich gleichzeitig eine ordentliche Gesangsausbildung und zwei Jahre später, am 1.März 1949 erhielt er neunzehnjährig einen festen Vertrag als Opernchorsänger. Das ist er heute noch. Chorleiter und Intendanten sah er kommen und gehen, nahezu das komplette Opernrepertoire hat er schon gesungen und dabei die Veränderungen im Opernbetrieb hier in Bremen auf seiner Haut erlebt.

„Der Tod der Freundschaft ist das Theater“, sagt er, ohne es so düster zu meinen und hält sich da

bei zu Gute, daß es ihm gelungen ist, sich neben der anfangs aufreibenden Theaterarbeit Freundschaft und Humor zu erhalten. Obwohl er durch die zahlreichen Aufführungen und Proben er früher die Partys der Aufschwunggesellschaft immer erst zu einem Zeitpunkt hat aufsuchen können, zu dem er alkoholspiegelmäßig hoffnungslos im Hintertreffen lag, betont er seine Entertainerqualitäten. „Ich brauche keinen Alkohol um lustig zu sein. Und was die Fröhlichkeit betrifft, nehme ich es mit jedem Rheinländer auf.“

Ein wenig bitter klingt es schon, wenn er die alten Zeiten an der Oper beschwört, als zwar der Zeit-und Arbeitsaufwand höher,

doch der menschliche Zusammenhang näher gewesen ist. Er trauert um die harmlosen gemeinsamen Vergnügungen: den Brauereibesuch, die Kaffeefahrt und den Kohl mit Pinkel, die früher den Probenalltag etwas bunter gesprenkelt haben. Durch die Modernisierung und Perfektionierung der Opernhäusern werden einerseits die verschiedenen Arbeitsbereiche eines Hauses so weit von einander getrennt, daß der einzelne manche Gesichter nie zu sehen bekommt, und andererseits bringt es der mit der Gaststarwirtschaft verbundene Abbau der Ensembles mit sich, daß die einzelnen Sänger nach einer kurzen Verweildauer das Ensemble wieder verlassen.

Trotz dieser Tendenzen, sieht er jedoch die Zukunft der Oper rosig. „Die Zuschauer wollen das Theater so, wie sie es kennen.“ Keine Experimente, das haben wir schon gehabt, und Meyer war dabei. „Wir haben ja die Zeiten gehabt, wo die Leute mit kurzen Hosen, mit dreckigen Pullovern und Jeans ins Theater kammen. Da haben sich viele mokiert, haben die Karten zurückgegeben, weil sie neben diesen Leuten sitzen mußten.“ Das waren die siebziger Jahre, das ist vorbei. Und auch die elektronischen Medien bilden keine Gefahr für die Live-Oper, „am Originalerlebnis kann keiner vorbeigehen.“

Step Hentz

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