: STARNICKS LAST PICTURE SHOW
■ Ausstellung mit den Wettbewerbsarbeiten zum „Moabiter Werder“
Starnick ist am Ende. Nichts geht mehr. Politisch ausgezählt und beruflich storniert, muß der Exsenator für Stadtentwicklung und Umweltschutz feststellen, daß schon lange vor dem Wahl-K.o. keiner auf ihn hörte. Trocken geglaubtes Terrain wie der Moabiter Werder, den es zu bebauen gilt, ist sumpfiger denn je und scheint abzudriften wie Starnick selbst. Der ist jetzt sauer.
Grund des Unmuts ist die Entscheidung im „städtebaulichen Realisierungswettbewerb für den Moabiter Werder“, über die sich Starnick enttäuscht, verärgert und verbittert zeigt. Von „unakzeptablen Lösungen“ und „unberücksichtigten Funktionen“ für das Gelände ist die Rede, sogar von Rücksichstlosigkeit wird gemunkelt.
Erstens präsentierte die Jury keinen eindeutigen Sieger des Wettbewerbs, sondern gleich deren drei. Zweitens hielt sich kein Architektenteam an die gewünschten Vorgaben, nämlich auf dem Feld des ehemaligen Hamburg-Lehrter-Güterbahnhofs ein kombiniertes Freizeit-Wohn- und Dienstleistungszentrum inklusive eines Verkehrskonzepts zu planen. Die Aufgabe, 400 Wohneinheiten, einen neuen S-Bahnhof und eine Parkanlage als integrales Projekt zu gestalten, wurde entweder verändert, vergessen oder verdrängt. Drittens müssen jetzt die Preisträger nachsitzen und ihre Pläne überarbeiten, um schließlich in einer Diskussionsrunde gemeinsam ein Gesamtkonzept auszutüfteln. Sowas geht bekanntlich Jahre oder länger und kostet Geld. Wem treibt's da nicht die Zornesröte ins Gesicht wie weiland dem Exsenator, zumal ihm jetzt noch die Entscheidungsbefugnis genommen ist, weil Rot -Grün gemompert wird.
Starnick hat zu recht eine Wut, denn die Preisträger scheinen einen Blick aufs nahegelegene Hansa-Viertel und dessen montiertes Patchwork-Baukonzept geworfen zu haben, um strukturelle Zeichen abzukupfern. Zugleich orientieren sie sich an abgelegten Wohnsiedlungsmodellen monotoner Schlafstädte und an raumgreifenden Inszenierungsprojekten postmoderner Stadtplanung, die jede stadtintegrative und identitätswirksame Wohnkultur vermissen lassen. Geblieben sind rudimentäre Formen ohne Zusammenhang.
So arrangieren die Architekten Reidemeister und Glässel (Berlin) vier parallel angeordnete Wohnzeilen, kombinieren sie mit fünf mächtigen Wohnhäusern, streuen drei entfernt liegende Dienstleistungstortenstückchen ein und setzen ein ovales Sportstadion beziehungslos daneben. Es ist, als tanzten geometrisierte Bauhauschiffren übers Papier, als abstrakte Zeichen ohne Zusammenspiel. Der PLan gleicht zudem eher einem Flughafenrollfeld mit angegliedertem Terminal und Ausguck, in dem ein kleines Wäldchen nur die unwichtige Reminiszenz an die Parkvorgabe spielt.
Negwer und Suselbeck (Berlin) dagegen haben im Sinn, eine Häuserzeile, vier Geschäftstürme und ein Wohnkamm mit einer quadratisch geordneten Reihenhausrastersiedlung der sechziger Jahre zu verbinden. Innerhalb des karierten Rechtecks baut sich eine „Ich wohn‘ im Grünen“ vernetzte Laubenlandschaft auf, die der Struktur eines römischen Heerlagers gleicht. Eine Freiflächenplanung fehlt dagegen fast völlig, wohl deshalb, damit die Bewohner, treten sie zum Luftholen aus ihrem Verschanzungsmodell heraus, keinen Sauerstoffschock erleiden. Nirgends kann das Lustwandeln zwischen „vereinzelten Baumgruppen“ dann solche Freude bereiten wie im Abgasnebel vom aufgestelzten „Parkway“, der das Gelände durchziehen soll.
Einen differenzierten „playground and public green“ entwirft der Londoner Architekt Zenghelis: Spielwiesen und Parkflächlein, Bootshafen, Aromatherapiegarten, Rollschuhbahn und Autokino, Flüßchen, Seechen, ein Schwimmbad und ein Wellenreitbecken mit Strand- und Palmenhaus. Mittenrein allerdings knallt Zenghelis sieben im Zick-Zack angeordnete 22geschossige Hochhausscheiben fürs „Wohnen am Buga-Park '95“, glatt und plakativ zugleich und einheitlich, als kämen sie vom Fließband.
Starnicks Visionen vom „Wohnen im 21. Jahrhundert“ sind geplatzt wie Seifenblasen, sind die doch ein städtebauliches Testament arrogant-tumber Stadt- und Wohnungspolitik, die seine Architekten beim Wort genommen haben und deren inhaltliche Konzeptionen jetzt so leer sind, wie Starnicks Politik es selbst war. Darüber ist er sauer. Abspann. New pictures.
rola
Die Ausstellung der Wettbewerbsarbeiten ist bis zum 17. März im Forum für Stadtentwicklung, Jebensstraße 2, zu sehen. Mo und Do 13-20 Uhr und Di, Mi und Fr 10-17 Uhr. Eintritt ist frei.
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