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Von Verfassungsfeinden und ihren Beschützern - der „Fall Dr.Dorls“

„Daß der Verfassungsschutz selber die Krankheit ist, die man heilen will“ - nun, der konservative Bundestagsabgeordnete Dr.von Merkatz hatte es bereits 1954 erkannt und in einer Bundestagsrede (16.9.) öffentlich verkündet.

Daß es Struktur- und keine Personalprobleme sind, auf die VfS-Skandale auch aktuell so gern verniedlicht werden, zeigt sich gerade darin, daß ungeachtet der qua Pensionierung erfolgten Trennung von der alten Garde aus SS und SD die operativen Praktiken unverändert geblieben sind.

Daher sei an eine symptomatische, längst vergessene Geschichte erinnert: den „Fall Dr.Dorls“.

Dr.Dorls, seit 1929 NSDAP-Mitglied, 1946 zur CDU konvertiert und ab 1947 hauptamtlicher Schriftleiter des CDU -Parteiblatts 'Niedersächsische Rundschau‘, gründete nach weiteren Parteiwechseleien 1949 die „Sozialistische Reichspartei (SRP)“ - jene Partei, die 1952 vom Bundesverfassungsgericht als erste Partei auf Grundlage des Artikel 21 Grundgesetz als verfassungswidrig verboten wurde. Dorls, Vorsitzender der SRP, verlor sein Bundestagsmandat und entzog sich der Verhaftung durch die Flucht.

Gleichwohl, das Bundesamt für Verfassungsschutz blieb dem Manne, gegen dessen Partei es die Ermittlungen zur Durchführung des Verbots geführt hatte, auf den Fersen, hielt ihm die Treue, indem es Fluchthilfe leistete, wie sich Jahre später herausstellte.

Mit Kenntnis und im Auftrag des Auswärtigen Amtes, abgewickelt über das Bundesamt für Verfassungsschutz, flog Dr.Dorls zu Zeiten, da zwei Haftbefehle gegen ihn vorlagen, auf Staatskosten mehrfach nach Ägypten, um dort in Zusammenarbeit mit einem ehemaligen höheren SS-Führer für ein Intrigenspiel im Auswärtigen Amt Belastungsmaterial gegen einen Kaufmann zu sammeln.

SPD-MdB Walter Menzel, innenpolitischer Sprecher seiner Partei, fragte am 25.Oktober 1956 entsetzt im Bundestag, ob denn die Bundesregierung beabsichtige, „künftig bei ähnlichen Vorgängen auch andere aus der Bundesrepublik entflohene Vorstandsmitglieder einer in Deutschland verbotenen Partei zu Spitzeldiensten heranzuziehen?“

Die Bundesregierung und ihr Verfassungsschutzamt zogen aus der Dorls-Affäre die Lehren. Max Reimann, Vorsitzender der 1956 verbotenen KPD, mußte ohne Hilfe des Bundesamtes fliehen.

Gewiß, die Zeiten, da in den Verfassungsschutzämtern die Mitarbeiter zwar kein Grundgesetz, wohl aber zu großen Anteilen die SS-Blutgruppennummer unter dem Arm trugen, sind vorbei. Die Bereitschaft aber, auf strafrechtlich Verurteilte oder krimineller Straftaten verdächtigte Personen Druck auszuüben, um mit ihrer Hilfe zwielichtige Operationen durchzuführen, ist Alltagspraxis unserer „Ämter zum Schutze der Verfassung“ geblieben. Namen wie Bodeux, Loudil, Berger, Susak usw. erinnern daran.

Am Rande angemerkt, der aktuellste Entwurf eines Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 30.12.erfolgt unter anderem das Ziel, auch diese Praxis noch rechtlich formell abzusichern - also weiter so.

Falco Werkentin

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