: Schwerarbeit gegen Künstler
Mit Kampf, Glück und Schiedsrichterhilfe schafft Werder ein mühsames 0:0 gegen den AC Mailand ■ Aus Bremen H. Bruns-Kösters
„Schieber, Schieber“, hallte es durch das Bremer Weserstadion, und gemeint war ein Portugiese mit dem schönen Namen Jose Riosa dos Santos. Gerecht war das nun wahrlich nicht. Hatte Schiedsrichter dos Santos doch zuvor in der 26.Minute des Europacupspiels zwischen Werder Bremen und dem AC Mailand beide unparteiische Augen fest zugedrückt und so den Bremern kräftig geholfen, daß es auch nach 90 Minuten noch 0:0 stand. Was war passiert? Günter Hermann hatte, auf der eigenen Torlinie stehend, einen Kopfball von Rijkaard unters Lattenkreuz geköpft, von wo der Ball ins Tor sprang, aus dem Torhüter Oliver Reck ihn wieder ins Spielfeld schlug. Dos Santos zeigte erst zum Anstoßkreis, ließ sich aber nach einem Blick zum Linienrichter eines für Werder Besseren überzeugen. Da hätten selbst die ansonsten außerordentlich disziplinierten Milanesen fast die Contenance verloren.
„Wir müssen immer erst zwei oder drei Tore schießen, damit eins zählt“, meinte nach dem Spiel Mailands Trainer Arvijo Sacchi. Sacchi, vom Typ her ein etwas besser angezogener Beckenbauer, hat Grund zur Klage. Denn wenn die Bremer beim Rückspiel in Mailand wider Erwarten doch noch ins Halbfinale kommen, ist Sacchi seinen Job los. Nachdem der AC Mailand in der laufenden italienischen Meisterschaftssaison abgeschlagen hinter dem Erzrivalen Inter zurückliegt, hat sein Chef, der italienische Medienzar Silvio Berlusconi, den Gewinn des Europacups verordnet. Denn der Fußballklub ist nur ein Bestandteil in der Marktstrategie Berlusconis. Seinen Fernsehsendern nutzen die Exclusivrechte an seinem Verein nur etwas, wenn die Milanesen tatsächlich Spitze sind. Sonst rechnen sich die 55 Millionen Mark, die Berlusconi in die Entschuldung des Vereins und in Spielerankäufe steckte, nicht mehr.
Zumindest Otto Rehhagel war nach dem Spiel überzeugt, daß Berlusconi sein Ziel schon erreicht hat. „Wir haben gegen die beste Vereinsmannschaft Europas gespielt“, meinte Rehhagel sichtlich zufrieden, daß es wenigstens zum 0:0 gelangt hatte. Und in der Tat: Je länger das Spiel dauerte, um so deutlicher wurde die technische, taktische und spielerische Überlegenheit. Ein Schwerarbeiter wie Bremens Verteidiger Johann Otten kann einem Fußball-Künstler namens Ruud Gullit zwar eine ganze Zeitlang zwischen den Beinen herumwieseln, doch da Gullit den Ball schneller spielt, als andere denken, summieren sich über 90 Minuten etliche gute Torgelegenheiten.
Eine Hoffnung haben die Fußballhandwerker aus Bremen für das Rückspiel. In Mailand, vor 90.000 Tifosi, wird der AC nicht noch einmal so bedingungslos mit der Abseitsfalle verteidigen können. So etwa jeder zweite Bremer Angriff wurde vom Linienrichter durch heftiges Fähnleinschwenken beendet. Folge: Gegen Ende der Partie waren die Bremer so genervt, daß sie den Ball lieber in der eigenen Hälfte hin und her schoben. Denn da gibt's kein Abseits.
Den Seelenbalsam aus dem Munde seines Bremer Kollegen konnte Trainer Arvijo Sacchi übrigens nicht hören. Er kam verspätet zur Pressekonferenz, da er zunächst dem Fernsehen seines Präsidenten Rede und Antwort zu stehen hatte.
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