: Strobl-Richter soll RZ-Papiere prüfen
Verteidigung von Ingrid Strobl will Papiere der Revolutionären Zellen heranziehen / Anklage stützt sich auf „Struktur und Arbeitsweise“ der Revolutionären Zellen, um Strobls Mitgliedschaft nachzuweisen ■ Aus Düsseldorf Gitti Hentschel
Anstelle von Tatsachenfeststellungen wolle das Gericht mit „Hypothesen über die angebliche Struktur der revolutionären Zellen Beweislücken schließen“. Das fürchtet die Verteidigung im Prozeß gegen die 36jährige Journalistin Ingrid Strobl vor dem 5. Strafsenat des OLG Düsseldorf. Laut Anklage soll die Journalistin als Mitglied der Revolutionären Zellen (RZ) einen Wecker für einen Sprengstoffanschlag gekauft haben.
Nach einer Erklärung des Vorsitzenden Richters Arend will das Gericht die Struktur und Arbeitsweise der RZ als „gerichtsbekannt“ und „allgemeinkundig“ voraussetzen und nicht mehr zum Thema der Beweisaufnahme machen. Danach arbeiteten diese Gruppen nach außen streng abgeschlossen. Demgegenüber hat die Verteidigung gestern, am 6. Verhandlungstag, beantragt, Schriften, Interviews und Erklärungen der RZ sowie Gerichtsurteile hinzuzuziehen, die das Gegenteil beweisen. Zum Beispiel habe sich nach einem Gerichtsurteil des OLG Frankfurt von 1978 die damalige Angeklagte Sybille Straub an einem RZ-Anschlag im Heidelberger Schloß beteiligt, ohne Gruppenmitglied gewesen zu sein. Auch in eigenen Erklärungen hätten die RZ kundgetan, daß sie nur insoweit abgeschottet arbeiten, als es für ihre Sicherheit notwendig sei. Im übrigen arbeiteten die Gruppen nach sehr unterschiedlichen Prinzipien und mit „offenem politischem Konzept“.
Die Behandlung dieser Frage ist insofern von großer Bedeutung, als sich die Anklage gegen Ingrid Strobl, Mitglied der RZ zu sein, zentral auf das unterstellte Strukturprinzip stützt. Über die Anträge der Verteidigung war bis Redaktionsschluß noch nicht entschieden.
An den vergangenen zwei Verhandlungstagen schleppte sich der Prozeß, der jetzt nicht mehr im Sondergebäude, sondern im Hochsicherheitsbereich des OLG Düsseldorf stattfindet, mit Einzelheiten über den Anschlag im Verwaltungsgebäude der Lufthansa in Köln in der Nacht vom 27. auf den 28. Oktober 1986 hin.
Unter anderem wurde deutlich, daß die BKA-Beamten am Tatort einen Wecker der Marke Emes-Sonochron als Zünder erwartet und deshalb bereits ein Vergleichsmodell mitgebracht hatten. Der Prozeß wird nächsten Dienstag fortgesetzt.
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