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Bir varmis - ein Fest in Gröpelingen

■ Arkadas - zweisprachiges Theater nicht nur für Kinder / Vier türkische SchauspielerInnen zogen ihrem Bus quer durch Bremen und erlebten die Landkarte der verschiedenen Stadtteile an den Kinder-Reaktionen

Wenn vier türkische SchauspielerInnen mit einem Bus voller Märchen, Lieder und verschiedener Sprachen eine Reise durch Bremen machen, dann können sie mit

den Kindern hier eine kleine Weltreise erleben: Eine Landkarte der verschiedenen Stadtteile, der Milieus, der Kulturen - ein eindeutiges Stimmungsbaro

meter für ein Experiment wie das des zweisprachigen Theaters.

So geschehen dem türkischen Arkadas Theater aus Köln, das auf Einladung des Dachverbandes der Ausländerkulturvereine (DAB) eine Woche lang mit ihrem Stück „Bir varmis, bir yokmus“ (Es war einmal, es war keinmal) in Bremer Schulen und Bürgerhäusern unterwegs war.

Die Handlung ist schnell erzählt: Ein türkischer Junge fliegt in seine Heimat und erzählt dort, natürlich auf türkisch, die Geschichte von den Bremer Stadtmusikanten. Für die Rückreise hat er als Geschenk das Märchen vom dicken Sultan, auf deutsch, eingepackt und auf die Bühnen der Bremer Stadtteile gestellt.

Erster Akt: Gröpelingen. Schon bevor der Bus vorbei an Gemüseläden, Moscheen und Schneidereien durch die Lindenhofstraße zum Ohlenhof steuerte, waren beim Organisator Levent Direkoglu die Telefone heißgelaufen: „Als hätten die Leute hier gerade auf so etwas gewartet, freuten sie sich und griffen zu.“

250 türkische und deutsche Kinder rutschten schließlich schon unruhig auf ihren Stühlen herum, als die Theaterleute in den Ohlenhof kamen. Die szenische Darstellung der Märchen, voller Witz und Action, manchmal ein bißchen zu nahe am Klamauk, ließ die Kinder mitsingen, mitschreien und Partei ergreifen.

Und wenn einige deutsche Kinder dann nichts mehr verstanden, dann schlug die Stunde ihrer türkischen NachbarInnen, die hier

allemal weiterhelfen konnten. Da sah der Bauer, der seinen Esel erbärmlich schlug, reichlich anatolisch aus, die Räuber trugen grüne Jägerjacken, alle vier Tiere sangen auf ihrem Weg nach Bremen ein türkisches Lied und wenn sie nicht gestorben sind, dann werden sie in Gröpelingen immer wieder gut ankommen.

Zweiter Akt: Oberviehland. Auf der Fahrt mit dem Bus erzählt Meray Ülgen, der Regisseur und Autor des Stückes, daß er den Kindern mit seinen Stücken von Menschen erzählen will. Von Menschen und ihren Geschich

ten, die heute allzuoft von Videofilmen verdrängt sind. Der Bus nähert sich einer Trabantenstadt, kahlen Hochhäusern, dem Gemeinschaftszentrum Oberviehland. Alles ist ruhig. Die Gruppe packt ihre Requisiten aus. 30 Kinder, alles deutsche, kommen nach einigen Aufforderungen schüchtern vor die Bühne. Zwei Jungs poltern herein: „Wann fängt dieses King-Kong Theater denn an?“ Als auf der Bühne der Flug in die Türkei beginnt, sind die ZuschauerInnen mit einem Ratespiel beschäftigt: „Lufthansa oder LTU?“ Kein Fest wie in Gröpe

lingen. „Wir haben keine türkischen Freunde“, läßt sich der Märchenerzähler auf der Bühne sagen. Die Kinder schalten ab. Die Tiere singen ihr Lied alleine, und um die Masken, die am Ende verteilt werden, streitet sich auch niemand.

Auch die Theater-Truppe ist müde, sie fahren jetzt zu ihrem letzten Auftritt. Die vier Mitglieder des türkischen Lehrervereins in Köln haben jetzt auch ein Stück von Bert Brecht, „Die Gewehre der Frau Carrar“, auf türkisch inszeniert.

Vera Kuenzer

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