: Damit es nicht so bleibt, wie es ist
■ DOKUMENTATION
Gestern sind wir in die taz, um täglich eine Seite von uns in der taz zu veröffentlichen.
Christian Geissler erklärte sich mit unserer Initiative solidarisch und wollte die presserechtliche Verantwortung für unsere Seite übernehmen.
Abstimmungsergebnis aller anwesenden tazlerInnen nach 12 Stunden zäher Auseinandersetzung war:
die nächsten 2 Wochen, 2 Seiten wöchentlich in der taz von uns, unter ihrer Kontrolle.
Notwendig bleibt: 1 Seite von uns täglich.
Die Seite lebt von eurer Beteiligung: Schickt uns eure Artikel, Diskussionsbeiträge, Infos und Fotos.
Kontakt vorerst: „Zusammenlegung jetzt“
c/o taz
Wattstr.11-12
1000 Berlin 65
Tel.: 030 / 463 30 61
Wir sind Menschen aus unterschiedlichen autonomen, antiimperialistischen Zusammenhängen in West-Berlin.
Wir wollen mit dieser Seite, die zunächst in den kommenden zwei Wochen noch drei Mal erscheinen wird, eine unverfälschte, parteiliche Berichterstattung zum Hungerstreik der Gefangenen aus RAF, Widerstand und weiteren Gefangenen gewährleisten.
Ausgangspunkt sind für uns die Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren mit bürgerlichen Medien gemacht haben, nämlich: Nachrichten werden gar nicht oder verzerrt und diffamierend gebracht, zuletzt bei der Mobilisierung gegen den IWF/Weltbank-Kongreß in West-Berlin. Von den vielfältigen Aktionen und der Stimmung in der Stadt ist nichts rübergekommen. Erst durch den Zahltag und im Nachhinein durch den Informationsaustausch mit GenossInnen aus anderen Städten wurde klar, was eigentlich in den Tagen gelaufen war.
Faktisch gab es eine Nachrichtensperre; von dieser Situation gehen wir beim Hungerstreik auch aus.
Wir wollen mit dieser Seite eine lebendige, authentische Berichterstattung gewährleisten. Auf dieser Grundlage schaffen wir die Voraussetzung für eine offene, unzensierte Auseinandersetzung über die Forderungen der Gefangenen. Wir wollen auch eine breite Diskussion über den Knast und die verschiedenen Kampfansätze führen. Wir wollen die authentische Debatte mit den gefangenen Frauen und Männern.
Es muß endlich Schluß sein mit dem Gerede über sie, eine produktive politische Entwicklung wird nur mit ihnen möglich sein. Wir wollen die konkrete Situation einzelner Gefangener darstellen, um sie auch für viele andere aus der Anonymität herauszuholen. Ein wichtiger Schritt, um die Forderungen der Gefangenen durchzusetzen, sind diese Seiten.
Am 1.2.89 begann der kollektive Hungerstreik der Gefangenen aus der Roten Armee Fraktion und dem Widerstand, dem sich weitere Gefangene angeschlossen haben.
Nach 14 Tagen haben alle bis auf zwei, Karl-Heinz Dellwo in Celle und Christa Eckes in Köln-Ossendorf, den Hungerstreik unterbrochen. Heute beginnen wir mit unserer Berichterstattung, zu einem Zeitpunkt, an dem zwei weitere Gefangene den Hungerstreik für Zusammenlegung wieder aufgenommen haben. Es sind Gabriele Rollnik hier bei uns in Berlin und Rolf Heißler in Straubing. Ihnen schicken wir unsere kämpferischen Grüße! Mitte März werden die nächsten zwei Gefangenen hinzukommen und in diesem zweiwöchigen Rhythmus wird es weitergehen. Und später werden alle im Streik sein.
Durch diese Kette führen die Gefangenen einen langanhaltenden Kampf. Es wird keine einmalige, harte Konfrontation mit dem Staat geben, weil nicht alle Gefangenen zum gleichen Zeitpunkt in einem lebensbedrohlichen Zustand sein werden, sondern der Kampf wird sich auf lange Zeit im Zwei-WochenRhythmus eskalieren, für die Gefangenen, wie auch für uns. Es gibt für uns nur eine Lösung: Die Zusammenlegung der Gefangenen! „Wir lassen jetzt nicht mehr los!“ (Hungerstreikerklärung).
Eins muß klar sein: der Hungerstreik ist jetzt in der fünften Woche. Deshalb greifen wir zu dieser Initiative. Die Gefangenen begreifen die Zusammenlegung als Voraussetzung für die von ihnen geforderte Diskussion. Wir wollen die Auseinandersetzung jetzt schon beginnen, weil sie für die Durchsetzung der Forderung nach Zusammenlegung existenziell ist.
Der Hungerstreik wird sich in den nächsten Wochen zuspitzen.
Ohne eine offene, solidarische Auseinandersetzung über die verschiedenen Positionen kann eine gemeinsame, offensive Unterstützung nicht erreicht werden. Auseinandersetzung wiederum braucht Öffentlichkeit - diese Seiten sollen ein Teil davon werden.
Wichtige Funktion ist auch, eine breite Öffentlichkeit zum praktischen Handeln zu mobilisieren, um die Forderung nach Zusammenlegung durchzusetzen. Wir wollen mit dieser Seite eine lebendige, authentische Berichterstattung gewährleisten. Dabei wollen wir auch den Austausch mit den schon bestehenden Info-Büros in Hamburg, Frankfurt und anderen Städten der BRD, (... wo sie überall wie Pilze aus dem Boden schießen).
Bei der Mobilisierung gegen den IWF/Weltbank-Kongreß sind wir von unterschiedlichen Positionen ausgegangen. Alle unterschiedlichen Ansätze sind auf der Straße zu einer gemeinsamen Kraft geworden. Von dieser Erfahrung gehen wir auch in der jetzigen Auseinandersetzung aus. Wir wollen eine Diskussion mit Euch führen, die über die Zusammenlegungsforderung hinausgeht - über die verschiedenen Widerstandsansätze im Knast, gegen Zwangsarbeit, für freie Arztwahl, für freie Kommunikation, gegen Abschiebung, gegen die Isolation und Aufsplittung der Gefangegen nach Delikten, für freies und selbstbestimmtes Zusammenkommen.
In dieser Diskussion wollen wir ein breites solidarisches Verhalten zu den Gefangenen verankern. Wir wollen mit Euch zusammen wichtige politische Entwicklungen in diesem Bereich diskutieren: über Prozesse, §129a, Aussageverweigerung, Kampf gegen Abschiebung, Internationale Knäste und vieles mehr.
Widerstand braucht Information
Die taz ist vor über zehn Jahren aus einer Situation entstanden, in der es notwendig war, eine eigene, linke Öffentlichkeit zu schaffen, um dem Informationsmonopol der bürgerlichen Medien von unser Seite etwas entgegen zu stellen.
Wir knüpfen in dieser Situation des Hungerstreiks der Gefangenen an diese Geschichte an. Dazu die taz selbst: „Pressefrechheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit, Unterdrücktes zu drucken, weil dessen Verschweigen das Einverständnis in die Unterdrückung einschließt.„
Wir wissen aus dem Aufruf des Initiativkreises der Hafenstraße „Zusammenlegung jetzt“, daß Menschen aus der taz mit den Forderungen der Gefangenen solidarisch sind und gehen davon aus, daß sie uns die notwendigen technischen Mittel für diese Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation solidarisch zur Verfügung stellen.
Wir denken, daß Ihr als LeserInnen der taz an dieser Diskussion Interesse habt. Wir möchten sie mit euch genauso wie auch mit der taz führen. Wir denken, eine breite Auseinandersetzung kann nur von unten, von der Basis organisiert werden. Sie braucht Lebendigkeit und auch die Widersrüchlichkeit der verschiedenen Gruppen und Spektren.
Uns geht es nicht darum, eine bessere taz zu machen, bei aller Kritik, uns geht es um eine bewußte, parteiliche Diskussion der Linken, zusammen mit den Gefangenen.
Wir wollen auch die Kämpfe in anderen Ländern einbeziehen und dokumentieren, um uns die Fähigkeit anzueignen, von anderen Erfahrungen zu lernen.
Ein Prozeß - grenzüberschreitend - ohne Grenzen!
Die Seite lebt von uns, von Euch, drinnen und draußen!
Wir wollen nicht festlegen, was diskutiert wird, sondern wir werden den laufenden Prozeß aufnehmen, nicht mehr und nicht weniger.
Die Grenze verläuft nicht zwischen den Völkern; nicht zwischen Drinnen und Draußen; sondern zwischen oben und unten!
-Zusammenlegung aller Gefangenen aus Guerilla und Widerstand in ein oder zwei große Gruppen, in die neue Gefangene integriert werden, mit Zugang zu den Gemeinschaftshöfen!
-Zusammenlegung aller Gefangenen, die dafür kämpfen!
-Freilassung der Gefangenen, deren Wiederherstellung nach Krankheit, Verletzung oder Folter, durch Isolation unter Gefängnisbedingungen ausgeschlossen ist!
-Freilassung von Günter Sonnenberg, Claudia Wannersdorfer, Bernd Rössner, Angelika Goder!
-Freie medizinische Versorgung ohne Staatsschutzkontrolle für alle Gefangenen!
-Freie politische Information und Kommunikation der Gefangenen mit allen gesellschaftlichen Gruppen!
Grüße an alle revolutionären und kämpfenden Gefangenen weltweit!
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