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Politische Gefangene in Jugoslawien

Die Zahl politischer Gefangener in Jugoslawien zu bestimmen ist schwierig, weil Regierungsangaben sich häufig widersprechen und Verurteilungen zu Geldbußen oder Haftstrafen bis zu einem Monat nicht berücksichtigen. Nach offiziellen Angaben werden seit 1981 jährlich ca. 400 Personen wegen politischer Delikte verurteilt. Etwa 50 Prozent der Angeglagten sind Albaner, deren Bevölkerungsanteil nur ca. 12,5 Prozent beträgt, und die damit Hauptopfer politischer Verfolgung sind. Man muß davon ausgehen, daß zur Zeit mindestens 600 politische Gefangene in Jugoslawien inhaftiert sind.

Weit verbreitet sind Inhaftierungen aufgrund der friedlichen Ausübung der Menschenrechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Am häufigsten ist Haft wegen „feindlicher Propaganda“ (bei kritischen Zeitungsartikeln, Flugblättern oder Reden) nach Art. 133 des Strafgesetzbuches, „Bildung von Gruppen zu feindlicher Betätigung“ nach Art. 136 StGB oder „konterrevolutionäre Bedrohung der gesellschaftlichen Ordnung“ nach Art. 114 des StGB. Die beiden letztgenannten Artikel werden besonders oft gegen albanische Oppositionelle angewandt, die vollständige Autonomie für die Provinz Kosovo fordern; so zum Beispiel vergangene Woche, als elf Albaner zu Haftstrafen verurteilt wurden (taz v. 25.2.89), oder gegen Halil Kuliqi, einen Lehrer, der nach den Unruhen 1981 zu elf Jahren Haft verurteilt worden war, weil er eine Schülerdemo organisiert hatte. Kuliqi ist einer von 150 gewaltlosen politischen Gefangenen.

Immer wieder wird in Prozessen wegen politischer Delikte darüber berichtet, daß Gefangene während der Untersuchungshaft durch Isolation, Nahrungsentzug, Drohungen oder Schläge zu „Geständnissen“ gezwungen werden, die dann vor Gericht als Beweise gegen sie verwendet werden.

Die Haftbedingungen sind generell schlecht - überfüllte Gefängnisse, das Schlagen der Gefangenen gehört zur Routine. Darüberhinaus werden politische Gefangene bei der Gewährung von Besuchen, Freigang und anderen Privilegien benachteiligt. Im als liberal geltenden Jugoslawien sind mehr politische Gefangene inhaftiert als in anderen sozialistischen Staaten Osteuropas, von Rumänien einmal abgesehen.

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