Grundrechte im Polizeigriff

CSU für Verschärfung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes / Breites Aktionsbündnis kritisiert bayerische „Vorbeugehaft“ / CSU argumentiert mit rechten Aktivitäten  ■  Aus München Luitgard Koch

Unbeirrbar hält die bayerische Staatsregierung an ihren umstrittenen Plänen zur rigiden Verschärfung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes fest. Am 15.März will die CSU -Mehrheit den Gesetzentwurf, der eine Verlängerung der Polizeihaft für „Störer“ von 48 Stunden auf zwei Wochen vorsieht, im Landtag durchpeitschen. Argumentiert wird von seiten der CSU vor allem mit dem bevorstehenden 100.Geburtstag Hitlers und den zu erwartenden Aktivitäten von Neonazis. „Wir werden bald Herrn Kühnen hier haben“, behauptete CSU-Staatssekretär Günther Beckstein aus dem bayerischen Innenministerium im Rechtsausschuß des Landtags.

„Wenn man das Gesetz ansieht, atmet es eher den Geist dessen, der da Geburtstag hat“, betonte dagegen der grüne Landtagsabgeordnete Hartmut Bäumer. Zusammen mit dem Landtagsabgeordneten der SPD, Klaus Warnecke, stellte der grüne Fraktionssprecher gestern auf einer Pressekonferenz die Ergebnisse der beiden getrennt durchgeführten Expertenanhörungen der Opposition vor. Eingeladen dazu hatte das „Aktionsbündnis gegen Unterbindungsgewahrsam“. Bereits Ende Oktober hat sich alles, was in Bayern links von der CSU ist - Grüne, SPD, FDP, DGB und kritische Richter, Staats und Rechtsanwälte sowie Polizisten -, zu dieser breiten Aktionsgemeinschaft zusammengefunden, um die Aushöhlung der Grundrechte zu verhindern.

„Je heißer die Auseinandersetzung um großtechnische ... Fortsetzung auf Seite 2

Anlagen wird, um so mehr brennen der CSU die verfassungsrechtlichen Sicherungen durch“, machte Bäumer nochmals die Stoßrichtung des Gesetzentwurfs klar. Argumentiert wird mit „Putz“ von rechts, getroffen werden sollen jedoch die Demonstranten gegen die „Oberpfälzer Atommüllfabrik“. Aber auch das Streikrecht bei Arbeitskämpfen ist davon betroffen.

Fazit aus beiden Hearings, zu denen namhafte Experten aus verschiedenen Bundesländern eingeladen wur

den: Das bayerische Gesetzesvorhaben ist verfassungsrechtlich bedenklich und macht auch aus polizeipraktischer Sicht keinen Sinn. Selbst der Vertreter der bayerischen Polizeigewerkschaft im konservativen Beamtenbund hielt den auf vierzehn Tage verlängerten Unterbindungsgewahrsam für überzogen. Jemanden wegen einer bloßen Ordnungswidrigkeit zwei Wochen einzusperren, bezeichnete auch der Frankfurter Staatsrechtler Erhardt Denninger als „verfassungswidrig“.

Als neuer Gesichtspunkt tauchte beim Grünen-Hearing die Frage auf, ob dieses bayerische Gesetz nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspricht. Die Menschenrechtskonvention ist jedoch auch in Bayern geltendes Recht. „Hier wird der grundrechtliche Status der Unbescholtenheit des Bürgers auf den Kopf gestellt“, stellte Bäumer im Hinblick auf die im Katalog des Gesetzes aufgeführten Beispiele fest. In Vorbeugehaft genommen werden sollen nämlich auch jene, deren „Begleitperson Waffen, Werkzeuge oder sonstige Gegenstände“ mitführen.

Durch politischen Druck hofft das Aktionsbündnis die CSU „doch noch zur Einsicht zu bringen“, erklärte Gerd Tersteegen von der Vereinigung Demokratischer Juristen auf der Pressekonferenz. Aus diesem Grund führt das Aktionsbündnis am 6.März nochmals eine Podiumsdiskussion zur bayerischen „Vorbeugehaft“ durch. Das Datum ist nicht zufällig gewählt. An diesem Tag wurden vor sieben Jahren bei den Massenverhaftungen im Nürnberger Jugendzentrum KOMM 141 Jugendliche festgenommen. Falls das Gesetz durchkommt, wird sich das Aktionsbündnis „rechtliche Schritte dagegen überlegen“.