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Eine Partei manövriert sich ins Abseits

■ Turbulenzen auf dem ersten FDP-Parteitag nach der Wahlniederlage / Parteitag wurde bis Juni unterbrochen

„Wir brauchen einen Parteitag, der Maßstäbe setzt“, hatte der Kandidat für das Amt eines stellvertretenden Parteivorsitzenden, der amtierende Finanzsenator Günter Rexrodt, am Vormittag in seinem Redebeitrag gefordert. Maßstäbe setzte der Parteitag am Samstag dann in der Tat. Ohne Ergebnis bei den Vorstandswahlen mußte er am Spätnachmittag schließlich auf kommenden Juni vertagt werden.

Allen Appellen zur Einheit, Integration und Nachdenklichkeit zum Trotz ließen die Delegierten Carola von Braun für den Parteivorsitz schlicht durchfallen. Dabei hatte selbst die Eingangsrede des aus Bonn herbeigeeilten FDP-Vorsitzenden Otto Graf Lambsdorff Anzeichen dafür erkennen lassen, daß die FDP zur Selbstkritik fähig sei. „Wir alle haben einen Wahlkampf geführt, der keiner war. Wir haben uns erfolgssicher auf Nachbarschaftsparties zugeprostet, statt so viel wie irgend möglich den breiten Wählerkontakt zu suchen“, sagte er unter anderem und beschwor die Berliner ParteifreundInnen, sich den Einzug ins nächste Abgeordnetenhaus zum Ziel zu setzen.

Doch weit entfernt davon, sich für künftige Wählerschichten zu profilieren, gebärdete sich die Partei, als wollte sie unbedingt unter die Zwei-Prozent-Marge sinken. Sie beschäftigte sich ausschließlich mit sich selbst. Im Stil einer Sekte quittierten die 250 Delegierten das Wahlergebnis von Carola von Braun, die 116 von 248 gültigen Stimmen auf sich vereinigen konnte, mit Beifall. Die offen zur Schau getragene Schadenfreude und die Häme über die Niederlage der linksliberalen Frauenbeauftragten steigerte sich noch im Laufe des Abends. Allen Ernstes schlugen rechte Kreisverbände die gerade gescheiterte Kandidatin für das unbedeutende Amt einer Delegierten zu einem Treffen der europäischen Liberalen vor und klatschten erneut begeistert, als von Braun auf eine erneute Kandidatur für das Amt der Parteivorsitzenden verzichtete.

Der nun weiter amtierende Parteivorsitzende Walter Rasch hatte erst am letzten Dienstag seinen Rücktritt angekündigt und damit seinen potentiellen Nachfolgern wenig Zeit gelassen, sich ihre jeweiligen Mehrheiten zu sichern. Rasch selber wollte nicht einmal mehr als Stellvertreter weiterhin Parteifunktionen wahrnehmen. Sein Rückzug, so vermuteten Delegierte auf den Fluren, sei mit ein Grund gewesen, warum Frau von Braun keine Mehrheiten bekommen konnte. Ein Dreierpaket, bestehend aus der Linken von Braun, dem Rechten Rexrodt und dem Macher Walter Rasch wäre eher durchgegangen. Eine Gruppe von Männern in Anzügen und Krawatten, die den Mittelstand von der Partei vernachlässigt sah, fand es unmöglich, daß nicht jemand aus der freien Wirtschaft die FDP anführen sollte. Die Ressentiments der Herren aus der Wirtschaft, sich in der Partei von einer Frau leiten zu lassen, waren unüberhörbar. Kompentent sei „die von Braun doch nur bei Frauenfragen“.

Daß die Frauenbeauftragte es vielleicht nicht schaffen würde, neue Vorsitzende einer Partei auf dem absteigenden Ast zu werden, zeichnete sich bereits in den Debattenbeiträgen ab. Die Stimmen derjenigen häuften sich, die in der Tendenz einem Antrag aus Zehlendorf das Wort redeten, in dem die Verschiebung der Vorstandswahlen auf den Herbst gefordert wurde. Auch die Reden gegen die mutige Kandidatin waren zahlreich. Am pointiertesten sprach Hermann Oxfort für die GegnerInnen.

„Ich halte die Wahl der Frau von Braun für nicht akzeptabel. Sie können doch nicht jemanden wählen, die demnächst in einem SPD/AL-Senat weisungsgebunden ist“, echauffierte sich der einstige Justizsenator und erntete dafür neben viel Beifall auch vereinzelt Buhrufe. Unbeirrt fuhr er fort und bezweifelte Kompetenz und Unabhängigkeit der Kandidatin.

Frau von Braun, die mit ihrem Mann zum Parteitag gekommen war, reagierte gelassen auf die Wahlniederlage und verärgert auf verbale Tiefschläge. Sie habe schon so etwas geahnt, kommentierte sie schulterzuckend. Wirklich erschüttert zeigte sich nur der 22jährige Wilmersdorfer Delegierte Alexander Fritsch: „Wir haben jede Berechtigung verloren, über eine Parteiversammlung der Alternativen Liste von einem rot-grünen Chaos zu reden!“ warf er dem Parteitag vor. Er überlege sich, ob sein zweites Mal als FDP-Delegierter nicht auch sein letztes Mal gewesen sei.(Siehe auch Seite 2)

RiHe

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