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Dem ersten Anzug fehlen Knöpfe

VfL Bochum - 1.FC Köln 1:3 / Die Bochumer wurden nach fiktiver Spielabsage ins Mittelmaß zurückgestutzt  ■  Aus Bochum Ernst Thoman

Köln kam - und nach einem Radio-Störfall beinahe keine Zuschauer. Bochum, dessen VfL nach der Botschaft des Barden Grönemeyer per Doppelpaß jeden Gegner naßmacht, wäre Samstag mittag fast dem einfachen Paß eines Witzboldes erlegen. Der 'Westdeutsche Rundfunk‘ meldete die Partie als abgesagt. Immerhin drei Stunden früher als vor zwei Wochen, als die Stuttgarter Kickers ein paar hundert Meter vor der Stadioneinfahrt die gleiche Nachricht über den Sender direkt in den Mannschaftsbus geliefert erhielten.

Leicht glaubhaft also diese Meldung, zumal sich Bochumer Spielabsagen mit dem Zeitzeichen „kurzfristig“ in einem Jahr gleich viermal häuften. Dem Magistrat liegt eben die ökologische Rasenpflege sehr an der grünen Lunge. Bei etwas Regen, vielen drohenden Verletzten und wenig Zuschauern entscheidet der städtische Sportdezernent zwar spät, aber leichten Herzens auf Ausfall. Der Mann, so wird gemunkelt, möchte arg gern Oberstadtdirektor werden. Und der Vize -Präsident der Fußballer ist Vorsitzender der spezialdemokratisch majorisierten Ratsfraktion. So sollen die Kanäle laufen, wenn es im Revier regnet. Doch am Samstag war alles anders. Ehrlich.

Ein Scherzbold gab sich beim Kölner Sender als Bochumer Geschäftsstelle aus, ließ das Spiel ins Wasser fallen und hinterließ eine Telefonnummer. Der öffentlich-rechtliche Rückruf kam prompt, und fertig war die Nachricht. VfL -Manager Klaus Hilpert sträubten sich die Lockenhaare, die Klarstellung strahlte danach viertelstündlich wie die Entwarnung vor Geisterfahrern durch die Radios: „Entgegen anderslautender Gerüchte findet das Spiel statt.“

Martin Kree, ein Bochumer Junge bald für Leverkusen, lieferte den nächsten „Hammer“. Der „lange Blonde mit dem unheimlichen Stiefel“ ließ Bodo Illgner reaktionslos auf der Linie harren, als der Spielball längst das Netz blähte. Die Bochumer Pausenführung dank Freistoß-Kree erkannte Kölns Coach Christoph Daum später siegeslaunig als verdient an. Der Mann soll beim Pausentee laut geworden sein: „Ich verfüge über alle Tonlagen“.

Und über ein Mittelfeld, das mit Rahn, Littbarski und einem jungen sensationellen Sturm (Vorname: Ralf) für den angeschlagenen „Icke“ Häßler den grauen Mäusen den Käse stahl. Bochum hatte den Hochkarätern aus Köln nur Biedermann -Handwerk zu bieten. Der Klassenunterschied in der zweiten Halbzeit konnte Angst und Bange machen. In der blau-weißen Ecke war niemand nach Lachen zumute, titelte die Stadionzeitung doch beide Teams „auf dem Weg nach oben“. Den Standort für einen völlig zerknitterten Trainer Tenhagen, den in Bochum alle nur Jupp rufen, fixierten Armin Görtz, Thomas Allofs und Morten Olsen mit drei munteren Dingern: Bochum ist da, wo der Kampf um den Abstieg beginnt.

Der erste Anzug hat keine elf Knöpfe für Bundesligareife. Das VfL-Roulette mit drei rückständigen Leistungsträgern lief nach einer Stunde nur auf „Zero“: Benatelli, Iwan und Nehl japsten nach Kondition, nur Examenskandidat Nehl wurde frühzeitig erlöst und konnte sich mental mit dem „Mündlichen“ zum Betriebswirt befassen. Jupp Tenhagen hingegen hat versprochen, sich nie mehr verbal von der Trainerbank zu melden: „Die hören sowieso nix.“ Taktisches Fehlverhalten machte er für die beiden ersten Geißbock-Goals verantwortlich. Dazu Daum: „Danach hatten wir das Spiel im Griff.“

Für Bochum bleibt die Aussicht auf ein Nachspiel. Anwälte wollen den Rundfunk verantwortlich machen. Ein Nachspiel ganz anderer Sorte lieferte dagegen der Wikinger Morten Olsen. Mit „weicher Leiste“ spielte der 39jährige erstmals wieder von Null bis Neunzig. „Es ist nicht so wichtig, daß er viel läuft“, kommentierte Daum, „wichtig ist, daß er viel spricht.“ Olsen sagte nach dem Spiel wenig und verschwand Richtung Belgien. Dort wartet ein Vertrag für die Vierziger auf den Dänen. Schließlich spielte Stanley Matthews noch bis 50 und stellte sich hinterher Slalomstangen in den Vorgarten. Als gelernter Libero wird Olsen das Problem im Ruhestand anders lösen müssen.

BOCHUM: Zumdick - Kempe - Oswald, Kree - Nehl (68. Legat), Iwan, Woelk, Benatelli, Rzehaczek, Reekers (81. Epp) Leifeld

KÖLN: Illgner - Steiner - Hönerbach, Kohler - Häßler (48. Sturm), Littbarski, Olsen, Rahn, Görtz - Allofs, Povlsen (Götz)

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