piwik no script img

Kranichschwärme über der Stadt

■ Im Botanischen Garten blüht der Krokus / Im Zoo vögeln die Stockenten: Frühlingserwachen / Vorhersehbar ist eine Mückenplage im Sommer / Zitronenfalter und Maikäfer wurden gesichtet / Nur die Arztpraxen sind immer noch voll

Im Zoo vögeln die Enten, im Botanischen Garten schlagen asiatische Bäume aus, und in den Grünanlagen der Stadt werden die Parkbänke von wild-knutschenden Pärchen bevölkert: Frühlingserwachen - jedem Krokus sein Coming out.

Wer nun aber meint, daß auch die Nilpferde, von Hormonschüben gepeitscht, auf Partnersuche das schlammige Bassin durchwühlen, sieht sich getäuscht: Die angenehmen Außentemperaturen und wärmeren Winde lassen viele Tiere im Zoologischen Garten kalt. Die hiesigen Temperaturen haben keinen Einfluß auf das Brunftverhalten der tropischen Fauna; die Exoten haben keine festen „Fortpflanzungszeiten“. Der Pressereferent des Zoos, Reinhard: „Daß wir die Tiere zu dieser Jahreszeit schon den ganzen Tag über draußen lassen können, ist trotzdem ungewöhnlich.“ Vom Condor bis zum Kormoran ließ sich das tropische Federvieh gestern die Sonne auf ihre ausgebreiteten Flügel scheinen. Weniger träge geben sich dagegen die einheimischen Vögel: Von der Amsel bis zum Zeisig balzen die Viecher um die Wette. Die Singvögel kommen schon aus dem Süden zurück, „mindestens einen halben Monat früher als in den vergangenen Jahren“, wie Reinhard betont. Besonders nachts, wenn die Großstadt schläft, hat er schon gen Norden ziehende Kranich- und Rotkehlchenschwärme belauscht.

Wegen des milden Winters kann man schon jetzt eine Mücken und Blattlausplage für den Sommer ausmachen. „Die vermehren sich unheimlich!“ meint Reinhard, weil die Krabbeltiere die normalerweise kalte Jahreszeit wegen mangelnden Frosts überlebten.

Auch im Botanischen Garten hat das Frühlingserwachen lebhaft eingesetzt. „Fast sämtliche Zwiebelblumen blühen schon“, berichtet Pressesprecher Ern, „Vorfrühling ist schon fast zurückhaltend ausgedrückt.“ Während vor allem die Pflanzen aus südlichen Ländern auf die gestiegenen Temperaturen anschlagen und asiatische Gehölze sprießen, halten sich die einheimischen noch etwas zurück. „Die wissen qua Erbinformation, daß es nochmal kalt werden kann. Die südlichen Pflanzen können deshalb noch was auf die Nase kriegen.“ Zum ersten Mal wurden gestern auch Schmetterlinge, Maikäfer und Bienen im Grünen beobachtet.

Sauregurkenzeit bedeutet der Frühling indes für viele Ärzte und Psychotherapeuten. Das gesteigerte Wohlbefinden der Menschen läßt psychosomatische Krankheitsbilder zurückgehen, andere kleine Beschwerden, die sonst dramatisiert werden, fallen plötzlich nicht mehr ins Gewicht. „Die Leute sind einfach gesünder!“ freut sich der Pressereferent der Ärztekammer, von der Ropp. In der Praxis machte sich das gestern aber noch nicht bemerkbar: „Die Psychosomatischen waren heute so verhangen wie immer!“ klagte eine Internistin aus Charlottenburg. Denn der „echte“ Frühling geht erst in fünf Wochen richtig los.

plu/ccm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen