Das Stammheim vom Potomac

■ Sechs wegen bewaffneten Widerstands angeklagte Amerikaner klagen über Isolation und schlechte medizinische Versorgung im Hochsicherheitstrakt von Washington D.C. / Bürgerrechtsvereinigungen protestieren gegen Haftbedingungen

Susan Rosenberg, 35jährige Homöopathin aus New York, wurde 1985 verhaftet und war vor ihrem Transfer nach Washington 18 Monate im Isolationstrakt für politische Gefangene des Lexington-Gefängnisses in Kentucky inhaftiert. Susan Rosenberg wurde wegen illegalen Waffenbesitzes zu 58 Jahren Gefängnis verurteilt. Während des Interviews ist sie mit Handschellen an Händen und Füßen gefesselt und in einem Drahtkäfig eingesperrt. Eine Sicherheitsglaswand macht direkten Kontakt unmöglich; die Verständigung findet durch Telefonhörer zu beiden Seiten der Glaswand statt.

taz: Susan, du bist mit sechs anderen Gefangenen des bewaffneten Widerstandes angeklagt, am 7.12.'83 einen Bombenanschlag auf das Capitol verübt zu haben. Kannst du etwas zu euren Haftbedingungen in Washington D.C. sagen?

Susan Rosenberg: Für uns alle haben sich die Haftbedingungen seit unserer Ankunft in Washington D.C. verschlechtert. Wir sind in verschiedenen Trakten des Gefängnisses untergebracht. Wir werden 231/2 Stunden am Tag in unseren Zellen eingesperrt. Während der halben Stunde Bewegungszeit auf den Gängen tragen die männlichen Gefangenen Handschellen, und sämtliche anderen Gefangenen sind während dieser Zeit in ihren Zellen eingesperrt, um einen Kontakt unmöglich zu machen. Unsere Zellen sind winzig und haben nur ein kleines Fenster. Uns wurde von der Gefängnisleitung gesagt, daß wir keinen Hofgang haben werden.

Habt ihr Kontakt zu anderen Gefangenen?

Die Mehrheit der Häftlinge in D.C. ist schwarz. Bevor wir hier ankamen, wurde ihnen von der Gefängnisleitung gesagt, daß wir weiße Rassisten seien, die versucht hätten, Jesse Jackson zu ermorden. Außerdem wurde jeglicher Kontakt mit uns unter Strafe gestellt. Aber inzwischen ist es gelungen, mit einigen Häftlingen zu kommunizieren.

Wie sehen eure Prozeßvorbereitungen aus?

Wir können uns auf diesen Prozeß nicht vorbereiten. Ein Treffen aller Angeklagten findet nur alle zwei Wochen im Beisein unserer Rechtsanwälte statt. Bis jetzt haben unsere Anwälte noch nicht einmal die Prozeßakten einsehen können. Außerdem sind uns keine Schreibmaschinen in den Zellen genehmigt worden. Wir sind gesundheitlich so angeschlagen, daß ich persönlich nicht weiß, wie lange ich noch durchhalten kann. Wir haben erfahren, daß im Gerichtssaal eine Plexiglaswand zwischen uns und den Besuchern errichtet werden soll. Außerdem sollen Videokameras installiert werden, die auf die Besucher gerichtet sind. Unsere Anwälte müssen nach jedem Besuch bei uns warten, bis wir uns einer Leibesvisitation unterzogen haben. Während der Treffen mit den Anwälten sind immer Gefängnisbeamte zugegen; die Akten werden gelesen. Unter diesen Umständen werden wir uns weigern, an dem Prozeß teilzunehmen.

Post an die Gefangenen sollte an die folgende Adresse gerichtet werden: ACLU National Prison Project, c/o Susan Waysdorf, 1616 P St. NW, Washington D.C. 20036, USA. Unter dieser Adresse und bei: Committee to Fight Repression, P.O. Box 1435, Cathedral Station, New York, New York 10025, USA, können Informationen angefordert werden.

Interview: Heike Kleffner