: „Integrativer Neuanfang“
Joschka Fischer zum Duisburger Parteitag ■ I N T E R V I E W
taz: Hat der Parteitag eine neue Orientierung für die Grünen gebracht?
Joschka Fischer: Sowohl die Vorstandswahl, als auch die Unterstützung für die Linie der Berliner AL dokumentiert die grundsätzlich neue Orientierung. Ausgehend von Berlin wird jetzt in der Partei der politische Wille, 1990 den Wechsel hinzubekommen, zumindestens aber glaubhaft anzustreben, die Arbeit dieses Vorstandes dominieren.
So eindeutig sind die Wahlen doch gar nicht ausgegangen. Die neugewählte Sprecherin Verena Krieger hat die Berliner AL und die Koalitionsabsichten massiv kritisiert.
Ja und?
Sie ist mit deutlicher Mehrheit gewählt worden.
An erster Stelle ist eine erklärte Reala-Kandidatin gewählt worden. Die Wahl zeigt, daß ein integrativer Neuanfang gemacht werden soll. Dazu gehört auch die Position von Verena, die es in der Partei gibt. Ich bin mir aber sicher, daß der neue Vorstand in seiner Mehrheit den AL-Kurs stützen und die grüne Entwicklung in dieser Richtung zu optimieren versuchen wird. Die Grundsatzentscheidung hier in Duisburg besagt personell und inhaltlich: Wir fahren als ökologische Reformpartei nach Hause. Der Flügelkonflikt ist abgeschlossen.
Wieso? Die Flügel haben ihre Kandidaten doch durchgepowert?
Natürlich sind die Strömungen noch präsent, aber die Protagonisten des harten Flügelkonflikts und der Selbstblockade, ausgehend von Hamburg, üben in dieser Partei keinen politischen Einfluß mehr aus. Es wird nach wie vor inhaltliche Kontroversen geben, aber die Partei wird sich darauf orientieren, wirklich neue Mehrheiten zu bekommen.
Du klingst so, als sei hier eine realpolitische Mehrheit gewählt worden. Davon kann doch keine Rede sein.
Nein, keine realpolitische, aber eine reformpolitische Mehrheit. Die Reformorientierung war ja der Grunddissens, an dem der ganze Flügelkonflikt hakte. An diesem Punkt haben die Hamburger blockiert, und diese Blockade ist durch Berlin aufgebrochen.
Das „Linke Forum“ stört dich da nicht?
Die bewegen sich auf der Grundlage von Berlin in eine sehr spannende Richtung. Es geht auch bei denen in Richtung einer Durchsetzungsstrategie, die nach Lage der Dinge in parlamentarischen Bündnissen münden wird.
Interview: Walter Jakobs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen