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Prinz „Öko“ Charles als Greenpeace-Sprecher

Auf der Londoner Konferenz zur Rettung der Ozonschicht fordern die Entwicklungsländer finanzielle Hilfe bei der Umstellung auf umweltverträgliche Ersatzstoffe für die „Ozonkiller“ / Das Stopfen des Ozonlochs wird zur Preisfrage zwischen Erster und Dritter Welt  ■  Aus London Rolf Paasch

Daß die britische Premierministerin Margaret Thatcher am Dienstag in London zum Abschluß der internationalen Konferenz zur Rettung der Ozonschicht eine positive Bilanz der dreitägigen Beratungen zog, überraschte niemanden. Schließlich hatte sie ja diese Ozon-Konferenz als politische Werbeveranstaltung für ihr neues, grünes Image konzipiert und ausgerichtet. Daß sich aber auch die meisten der 600 Politiker, Wissenschaftler und Industrievertreter aus 124 Ländern recht angetan über das Londoner Ozon-Treffen äußerten, war vorher kaum zu erwarten gewesen. Am Ende erklärten sich sogar 20 weitere Nationen - unter ihnen Brasilien, Malaysia, Nigeria, die Türkei und Israel - dazu bereit, auf der im Mai in Helsinki stattfindenden Ozon -Konferenz das sogenannte „Montreal-Protokoll“ zum Schutz der Ozonschicht zu unterschreiben.

Während viele Entwicklungsländer, aber auch China und die Sowjetunion noch von der Bedeutung des bisher von 33 Staaten ratifizierten Protokolls überzeugt werden müssen, haben andere Staaten angesichts neuer wissenschaftlicher Details über die Vergrößerung des Ozonlochs längst eingesehen, daß die darin vorgesehene Halbierung der schädlichen Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) völlig unzureichend ist.

Wieder einmal blieb es dem radikal-ökologischen britischen Thronfolger Prinz Charles überlassen, beim Abschlußbankett am Montag für die nichteingeladenen Greenpeaceler zu sprechen und für einen sofortigen und totalen Verzicht der „Ozonkiller“ einzutreten. Freiwillige Verzichtsleistungen der Industrie, so der zunehmend dirigistisch eingestellte Prinz, reichten nicht aus. Zum Schutz des gefährdeten Planeten seien gesetzliche Verbote und Beschränkungen erforderlich. Und selbst die in der letzten Woche getroffene Entscheidung der EG, zur Eliminierung der FCKWs bis zur Jahrtausendwende, so Prinz „Öko“ weiter, komme möglicherweise um zehn Jahre zu spät.

Bereits am Sonntag hatte der neue EG-Umweltkommissar Carlo Ripa de Meana in einem persönlichen Vorstoß das Vorziehen des Stichdatums auf das Jahr 1996 vorgeschlagen, eine Forderung, die Umweltminister Töpfer in seiner Rede für die Bundesrepublik gleich als verbindlich erklärte. Ob allerdings eine solche Verkürzung des Zeitplans zum Ausstieg aus der FCKW-Produktion schon in Helsinki oder auf der Folgekonferenz zum Montreal- Protokoll 1990 in dieses Abkommen mitübernommen werden kann, ist mehr als fraglich. „In einem solchen Falle, werden viele Länder, die das Montreal-Protokoll heute unterstützen, nicht mitziehen können,“ befürchtete in London ein Delegationsmitglied.

Dilemma der Entwicklungsländer

Dieses Dilemma und die Probleme der Entwicklungsländer, sich die im Anfangsstadium teureren Alternativsubstanzen für die schädlichen FCKWs nicht leisten zu können, standen im Mittelpunkt der Londoner Diskussion. „Wir müssen nach finanziellen Möglichkeiten suchen, den Entwicklungsländern zu helfen“, gab sich Umweltminister Töpfer großzügig, jedenfalls solange, bis die konkreten finanziellen Hilfsansprüche der Dritten Welt auf dem Tisch der Industrieländer liegen. Umsteigen auf die weniger ozonschädigenden Ersatzstoffe, wie das ebenfalls nicht unumstrittene Kühlmittel 134a wollen alle: Kenianer, Deutsche, Gambier und Chinesen. Unklar ist nur zu welchem Preis.

China, so drohte dessen Delegationsleiter Lui Ming Pu in London, werde das Montreal-Protokoll nur dann unterzeichnen, wenn die von ihm für Helsinki vorgeschlagene Änderungen mitaufgenommen werde, die eine Berücksichtigung der besonderen ökonomischen Bedürfnisse der Entwicklungsländer und eine „anteilsmäßige“ Reduzierung der FCKWs vorsehen. Wer mehr FCKWs produziere, müsse auch mehr abbauen. Und wer jahrzehntelang von der globalen Ausbeutung des Planeten profitiert habe, so appellierte der chinesische Delegationsleiter an die Industrieländer, der müsse jetzt auch die Zeche zahlen.

Während die dringende Notwendigkeit des Ausstiegs aus der Verwendung von FCKWs in Spraydosen, Kühlschränken, Elektronikbausteinen und Schaumstoffverpackungen mittlerweile unumstritten ist, deutete sich in London erstmalig an, wie leicht der Streit um die Modalitäten dieses Ausstiegs zum geopolitischen Spiel um Technologie -Transfer, Entwicklungshilfegelder und Profite verkommen könnte. Du Pont de Nemours, der mit einem Umsatz von 32 Mrd. Dollar größte Chemiekonzern der Welt, scheint sich jedenfalls bereits ganz der Umstellung auf die profitträchtigen Ersatzstoffe für die FCKWs verschrieben zu haben, ein Prozeß der ihrem Vizepräsidenten Archie Dunham zufolge über die nächste Dekade weltweit Kapitalinvestitionen in Höhe von sechs Mrd. Dollar erfordere.

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