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Gegen Flüchtlingsnot spenden

■ Geldsammlung für irakisch-kurdische Flüchtlingslager fängt endlich an Bürgerschaftsmehrheit gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in die Bundesrepublik

Zu Weihnachten gab es Schneestürme über dem Zeltlager von Mardin, in der „heiligen Nacht“ starben 12 kleine Kinder. Das erfuhren Bremer Bürgerschaftsabgeordnete bei ihrem Besuch dort im Januar. Seitdem machen sie sich dafür stark, daß in Bremen Geld für die notleidenen Kurden gesammelt wird, die im August 1988 vor den Gifgasangriffen der irakischen Armee aus ihrer Heimat in die Türkei flohen. Am ver

gangenen Mitttwoch war es dann soweit: Die Bürgerschaft verabschiedete einen Spendenaufruf. So Gott will, wird er noch in dieser Woche, unterschrieben vom Parlamentspräsidenten Dieter Klnik und vom Bürgermeister Klaus Wedemeyer, der Öffentlichkeit übergeben. Allerdings: Der grausame Winter ist über der Bedächtigkeit der Bremer Volksvertreter vergangen. Die größte Not an Decken und warmer Klei

dung ist vorbei. Mit dem Frühling jedoch kommen neue, tödliche Gefahren: Im Zeltlager von Mardin, in dem 16.000 Menschen auf engstem Raum leben, wird das Wasser knapp. Jetzt, wo es wärmer wird, steigt die Seuchengefahr dramatisch. Die Malaria- und Typhusfälle häufen sich.Im Lager von Diyarbakir grassieren die Masern schon seit Wochen. Dort sind die Keller der Flüchtlingshäuser mit Fäkalien überflutet, weil die Kanalisation wegen der Überbelegung der Wohnungen zusammengebrochen ist. Was in den Lagern fehlt und in Zukunft nach mehr fehlen wird, sind also Medikamente.

Schon Anfang Februar hatten die Grünen deshalb von den Parteien der Bürgerschaft Hilfe für die Flüchtlinge verlangt. Die Bundesrpublik solle Flüchtlinge aus den Lagern aufnehmen, forderten sie. 350 Kurden hatten nämlich bei einer Umfrage der türkischen Behörden angegeben, daß sie zu Verwandten in die Bundesrepublik ausreisen wollen. Der grüne Abgeordnete und Türkeireisende Paul Tiefenbach begründete seinen Vorschlag gegenüber der taz so: „Deutsche Firmen haben dem Irak beim Aufbau seiner Giftgas-Produktion geholfen. Mit diesem Giftgas wurden die Kurden aus ihrer Heimat in die Türkei vertrieben.“ Doch FDP und CDU stellten sich quer.

Aber nicht nur das: Sie verwahrten sich auch dagegen, daß in der Entschließung die Türkei-Delegation der Bürgerschaft erwähnt (und damit aufgewertet) wird. Die Delegation hatte sich nach ihrer Rückkehr sehr kritisch über Menschenrechtsverletzungen und die Unterdrückung der kurdi

schen Minderheit in der Türkei geäußert. Für ihre ungeliebte Mission hatte sie auch keinen Pfennig aus der Reisekasse der Bürgerschaft erhalten. Schließlich kappten FDP, CDU und SPD gemeinsam die Forderung der Grünen, daß der Senat aus eigenen Mitteln das Spendenaufkommen der BremerInnen verdoppeln soll. In der jetzt verabschiedeten Entschließung aller vier Parteien wird der Senat ledigleich „um Unterstützung“ gebeten.

Während hier die Politiker fingerhakeln, geht das Leiden in den Lagern weiter. In einem Brief an einen Bremer Delegierten schreibt der Flüchtling und früherer Lehrer Ali Bamerni: „Wir sind jetzt sechs Monate im Lager hinter Stacheldraht, und die Leute machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Sie verlangen nach irgendeiner Beschäftigung, weil sie überhaupt kein Geld mehr haben.... Die Menschen werden immer nervöser. So gab es gestern einen Kampf zwischen zwei Familien. Ein Mann wurde getötet und zwei schwer verwundet. Der Anlaß war lächerlich...“

Immerhin fängt die Spendensammlung jetzt an. Das Rote Kreuz stellt ein Konto zur Verfügung und gibt Spendenbescheinigungen für's Finanzamt aus, allerdings nur, wenn frau/man mindestens 20 Mark überweist. Besonders wichtig: Das Geld wird tatsächlich an seine Adressaten kommen. Davon sind die Mitglieder der Türkei-Delegation überzeugt. Den türkischen Behörden und auch dem regierungsabhängigen „Roten Halbmond“ soll es nicht in die Finger allen.

mw

Spendenkonto: 1055573 Sparkasse, Kennw. „Kurdenhilfe„

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