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„Das größte Experiment“

Aus einem Hintergrundpapier des Bonner Ministeriums für Forschung und Technologie  ■ D O K U M E N T A T I O N

(...) Verantwortlich für den Treibhauseffekt sind sogenannte Spurengase. Sie bewirken, daß ein großer Teil der einfallenden Sonnenstrahlung nicht wieder in den Weltraum emittiert, sondern zur Erdoberfläche zurückgestrahlt wird. Diese Wärmerückstrahlung erhöht den Energiegewinn in Erdbodennähe, so daß dort die Temperatur im weltweiten Mittel rund +15 Grad beträgt; ohne diese Spurengase würden nur -18 Grad erreicht.

Menschliche Aktivitäten haben den Anteil der Spurengase deutlich ansteigen lassen. Beispiel Kohlendioxid: Seit Mitte des 18.Jahrhunderts ist der atmosphärische Gehalt um rund 25 Prozent gestiegen. Die jährliche Zuwachsrate liegt derzeit bei 0,4 Prozent.

(...) Bereits heute besteht in der Wissenschaft international darüber Konsens, daß die Meßreihen der Klimagrößen in den letzten Jahren eine Klimaänderung signalisieren:

In den letzten 100 Jahren ist in der Nordhemisphäre die Lufttemperatur im Mittel um 0,7 Grad, global um 0,6 Grad angestiegen; in der Arktis beträgt dieser Anstieg sogar 1,7 Grad.

-In der gleichen Zeit ist der Meeresspiegel im globalen Mittel um zehn bis 20 Zentimeter angestiegen.

-Mit dem gemessenen Temperaturanstieg in der Troposphäre geht in den letzten 20 Jahren ein Temperaturrückgang in der Stratosphäre einher.

-In dieser Zeit ist eine Feuchtezunahme der tropischen Atmosphäre sowie eine Niederschlagsabnahme in den Subtropen bei gleichzeitiger Niederschlagszunahme in den gemäßigten und subpolaren Breiten eingetreten.

Manches deutet daraufhin, daß wir in den letzten 20 bis 25 Jahren ein Signal einer abrupten Klimaänderung miterleben. In „empfindlichen“ Gebieten wie den Tropen sind Katastrophen aufgetreten, die als Anzeichen für solche Klimaänderungen gewertet werden können. Beispiele:

-Extreme sechs bis zehn Monate dauernde Dürre in den regenreichen Gebieten Indonesiens

-Jahrelange Dürren in Südostafrika

-Regenmengen bis zum 80fachen des langjährigen Mittelwertes in der Küstenwüste von Peru

-Tropische Hurrikane an Stellen, wo sie nie vorher beobachtet wurden (Tahiti)

Diese beobachteten und gemessenen Indizien für eine globale Klimaänderung lassen nach mehrheitlicher Meinung der deutschen Klimaforscher eine zweifelsfreie Trennung in natürliche und anthropogene Ursachen (noch) nicht zu. Es gibt jedoch auch deutsche Untersuchungen, wonach immerhin 0,5 bis 1,0 Grad des Temperaturanstiegs seit Beginn der Messungen auf den Anstieg der Spurengase zurückzuführen sind.

(...) Durch Verbrennung der tropischen Regenwälder sind in den letzten 30 Jahren mehr als 50 Prozent aller Regenwälder der Erde vernichtet worden (zur Zeit jährlich zwischen 10 und 15 Millionen Hektar, das ist die ungefähre Größe von Süddeutschland), was wiederum zur Verstärkung des Treibhauseffektes beiträgt.

(...) Der Mensch vollzieht gegenwärtig das größte geophysikalische Experiment, das jemals vorgenommen wurde. In nur wenigen Jahrhunderten werden die fossilen Brennstoffe vernichtet, die sich im Laufe der Jahrmillionen gebildet haben. Dabei kann es nicht ausbleiben, daß sich damit das gesamte Klimasystem - Atmosphäre, Ozean, Biosphäre, Kryosphäre - verändert.

(...) Die möglichen regionalen Ausprägungen einer Temperaturzunahme (um 1,5 bis 4,5 Grad für die nächsten 100 Jahre, d.Red.):

In den Küstenregionen ein Meeresspiegelanstieg zwischen 30 und 120 Zentimeter. Landverluste für Europa nicht dramatisch, bedrohlich für Länder mit einem hohen Küstenanteil wie Indonesien, Bangladesch oder Thailand, wo etwa 40 Prozent des Landes verloren gehen könnten.

-In gemäßigten Breiten sind Temperaturänderungen ausgeprägter als in den Tropen, im Winter stärker als im Sommer. Nordwärtige Verlagerung der Niederschlagsgürtel, Zunahme der Niederschlagsmenge in unseren Breiten. Verlagerung der Vegetationszonen: Steppe würde zur Halbwüste, Mischwald zur Steppe und Tundra zum Mischwald. Bei gleichzeitigem Meeresspiegelanstieg hätte dieser Wald jedoch keine Chance sich zu entwickeln; die Tundra würde sich teilweise in ein Feuchtgebiet verwandeln. Dies zusammen bedeutet, daß die Hochwälder verschwinden würden.

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