: Nürnbergs Erbe - die "Worte aus Stein"
■ SPD will Nutzung des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes der NSDAP politisch in die Hand nehmen / Museum und Dokumentationszentrum geplant / Über 40 Jahre lang Flucht vor der Vergangenheit...
Ein ganz normaler Tag, Ende Februar. Im Seitenflügel der Kongreßhalle residiert - streng geheim - die Nürnberger Befehlszentrale für die Nato-Stabsrahmenübung „Wintex 89“. Ein paar hundert Meter weiter trainieren Tennisspieler an der Mauer der Zeppelintribüne Returns und Slice-Schläge. Derweil postieren verstohlen gestandene Familienväter dort, wo einst Hitler die Massen hysterisiert hat, mit erhobenem Arm für das Fotoalbum. Jetzt, 62 Jahre nach dem ersten Reichsparteitag in Nürnberg und mehr als 43 Jahre nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes, will Nürnbergs Sozialdemokratie sich der Auseinandersetzung mit dem baulichen Erbe der Nazis, den „Worten aus Stein“ (Hitler) stellen.
„Keine Stadt der Bundesrepublik hat so deutliche Spuren nationalsozialistischer Herrschaft aufzuweisen wie Nürnberg“, heißt es in der vom SPD-Unterbezirksvorstand vorgelegten „Denkschrift über die zukünftige Nutzung des ehemaligen NSDAP-Reichsparteitagsgeländes“. Kern dieser Denkschrift ist die Aufarbeitung der Geschichte dieser Bauten - der sogenannten Führertribüne auf dem Reichsparteitagsgelände und dem Kongreßhallentorso - in Form eines Dokumentationszentrums und Museums für Zeitgeschichte. Nachdem die Jahreshauptversammlung der SPD am Samstag das Nutzungskonzept übernommen hat, ist es jetzt Aufgabe der Stadtratsfraktion, die über 40 Jahre andauernde Periode der Fluchtversuche vor der Vergangenheit zu beenden und, so Nürnbergs SPD-Vorsitzender Schmidbauer, „die Sache politisch wirklich in die Hand zu nehmen. Kultstätten mit Ewigkeitswert
Nach Parteitagen in München und Weimar fiel schon 1927 die Wahl der Nationalsozialisten auf Nürnberg als Versammlungsort. Neben der zentralen Lage der Stadt mit ihrer guten Verkehrsanbindung verlockte vor allem die Möglichkeit, die historisch-romantische Kulisse und die Reichstradition der Stadt für die Selbstdarstellung der NSDAP zu nutzen. Nach dem Parteitag 1929 hatte sich die Stadt zwar geweigert, in den folgenden beiden Jahren Gebäude für die Massenveranstaltungen zur Verfügung zu stellen, doch schon zwei Jahre später kam sie dem „persönlichen Willen des Führers“ nach. Nürnberg wurde zur „Stadt der Reichsparteitage“. Ende 1934 legte Albert Speer schließlich einen Gesamtplan für die „Tempelstadt der Bewegung“ vor. Die größte Halle der Welt (Kongreßhalle), die größte Manöver -Arena (Märzfeld) und das größte Stadion („Deutsches Stadion“ mit 405.000 Plätzen) sollten entstehen.
Von Jahr zu Jahr wurden die Inszenierungen der Parteitage immer perfekter. Massenkundgebungen, Weihestunden, Aufmärsche, Feuer- und Lichteffekte, Treueschwüre und Führerkult bestimmten die Dramaturgie. Die Monumentalität der Architektur verstärkte dabei die Emotionen oder, wie Hans-Ulrich Thamer, Professor für Neuere und Neueste Geschichte in München, behauptet: „Die Kongruenz von Architektur und Massenszenen macht die spezifisch nationalsozialistische Dimension innerhalb der politischen Ästhetik des Faschismus aus.“ Der letzte Parteitag 1939 unter dem Motto „Parteitag des Friedens“ wurde wegen des Überfalls auf Polen abgesagt. Mit Kriegsbeginn wurden die Bauarbeiten am Parteitagsgelände im Südosten Nürnbergs eingestellt. Lediglich an der Kongreßhalle wurde fieberhaft bis zum Winter 1942 weitergebaut. Dann wurden die großen Turmdrehkräne zum Bau der IG-Farben-Werke in Auschwitz gebraucht.
Nach dem Krieg erbte die Stadt das Gelände und damit Betonstraßen, Paradefelder, vollendete und unvollendete Bauten. Am liebsten hätte die Stadtverwaltung damals alles weggesprengt und damit die Vergangenheit per Bauschutt entsorgt. Doch die Beseitigung der Bauten, die 1.000 Jahre überdauern sollten und deren Ausstrahlungskraft als Ruinen bereits beim Bau miteinkalkuliert worden war, erwies sich als nicht finanzierbar. Lediglich die Türme des Märzfeldes und die Säulen des Kriegerdenkmals wurden 1967 gesprengt. Mit der Schlagzeile „Nürnberg merzt ein Stück Vergangenheit aus“ bewies die Lokalzeitung wenig sprachliche Sensibilität. Zum Leidwesen der Stadtväter wurde die Diskussion über die Beseitigung der „Worte aus Stein“ Mitte der 70er Jahre endgültig entschieden: Mit der Neufassung des bayerischen Denkmalschutzgesetzes wurden die Bauten als schutzwürdig eingestuft und mußten fortan erhalten werden. So versuchte die Stadt, die Kultstätten mit Ewigkeitswert in den Alltag zu integrieren.
Die mit Granitplatten gepflasterte „Große Straße“ dient heute als Parkplatz bei Großveranstaltungen wie Fußballspielen und Volksfesten. Auf der Zeppelintribüne finden Tausende von Zuschauern Platz, um Autorennen zu beobachten oder Bob Dylan und andere Rock-Koryphäen zu bejubeln. Ein Teil des Zeppelinfeldes nutzt die US-Army als Sportfeld, in dem 1928 errichteten Stadion, in dem sich einst die Hitlerjugend versammelte, kämpft der 1.FC Nürnberg in der Fußballbundesliga gegen den Abstieg. Eine der beiden Feuerschalen der Zeppelintribüne steigert im Kinderbecken des Stadionbades den Badespaß der Kleinen, am Kriegerdenkmal, dem zentralen Element der Luitpold-Arena für die Totenehrung, finden noch heute am Volkstrauertag die Feiern zum Gedenken an die Kriegsopfer statt.
Auch der Kongreßhallentorso ist nach Ansicht des Politologen Eckart Dietzfelbinger ein „Paradebeispiel für das Fehlen einer Auseinandersetzung mit der Geschichte“, und das, obwohl die Halle als eines der bedeutendsten Beispiele der NS-Architektur gilt. Die Kongreßhalle, das Lieblingsobjekt von Hitler, sollte mit 223 Metern Breite, 290 Metern Länge und 50 Metern Höhe ihr Vorbild, das römische Colosseum, um einiges übertreffen. Die für die Fassadenverkleidung benötigten Granitplatten wurden von Insassen des ca. 150 Kilometer von Nürnberg entfernten Konzentrationslagers Flossenbürg gebrochen. Ungeachtet dessen ist die Auseinandersetzung um die Nutzung des Torsos seit Kriegsende von ökonomisch-pragmatischen Erwägungen geprägt. Diese Art von „Vergangenheitsbewältigung“ brachte seltsame Blüten hervor. Heute wird die Halle konsequent als Lagerhalle genutzt. 45 Mietparteien, darunter das Großversandhaus Quelle, die Nürnberger Symphoniker und die Polizei, bringen der Stadt pro Jahr Mieteinnahmen in Höhe von einer Million Mark ein. Angesichts dieser Nutzung erfaßt Nürnbergs Kulturreferenten Hermann Glaser (SPD) beim Passieren des Torsos „jeweils eine tiefe Befriedigung“: eine unmenschliche Architektur dient heute als Warenlager und Depot, als riesiger Schuppen für Stapelware. Doch dabei wollte er es nicht belassen. Sein Vorschlag, auch die Geschichte der Kongreßhalle aufzuarbeiten und damit „die Steine zum Sprechen zu bringen“, fand bislang kein Gehör.
Bereits kurz nach Kriegsende schmiedete die Stadtverwaltung Pläne, den Torso als Ausstellungshalle und für Messezwecke zu nutzen. Tatsächlich fand dann dort 1949 mit über 500 Firmen aus dem In- und Ausland die „Deutsche Bauausstellung“ statt. Schon deren Motto „Wir müssen bauen“ ließ keinen Platz für Reflexion. Ebensowenig wie ein Jahr später, als die Stadt im Juli die Kongreßhalle in ihre 900-Jahr -Feierlichkeiten miteinbezog, als würde es sich um ein normales Gebäude ohne Geschichte handeln. In den Arkaden fand die Ausstellung zur Stadtgeschichte statt, die nicht vollendete zweite Etage diente den Besuchern als Freiluftcafe. Als Hauptattraktion zog schließlich ein Festzug von der Innenstadt zu dem Torso. Dort wurde das Jubiläum dann ausgelassen gefeiert. 1962: Stadionumbau mit ehemaligen NS-Architekten
Pläne, den Torso zum Autokino oder zum Altenheim mit begrüntem Innenhof umzubauen, verschwanden schnell wieder in den Schubladen. Ernsthaft dagegen wurde die Planung für den Umbau zum Großstadion betrieben. Parallel dazu wurde überlegt, die Halle als Massenquartier zu nutzen bzw. den Sudetendeutschen Landsmannschaften als Versammlungsort zur Verfügung zu stellen. Doch nachdem der 1.FC Nürnberg 1962 seine 8.Meisterschaft gewonnen hatte und mit einem neuen Stadion in den Bundesligastart 1963 gehen wollte, ließ die Fußballeuphorie die Stadionpläne wieder in den Vordergrund rücken. Auf Empfehlung des Deutschen Fußballbundes (DFB) engagierte die Stadt einstimmig den Architekten Werner March, den Planer des Reichssportfeldes samt Olympiastadion in Berlin. Im Oktober '62 setzte dann der städtische Bauausschuß die Honorarsumme für den ehemaligen NS -Architekten auf 210.000 Mark „mit einem erwarteten entsprechenden Leistungsbild“ fest. Vorher hatte bereits Nürnbergs Oberbürgermeister Urschlechter festgestellt, daß der „Weg zum Großstadiontorso“ richtig sei. Eine Diskussion um die Person Marchs fand übrigens nicht statt. Im Gegenteil, begeisterte Zuschriften über den „Traum vom Großstadion“ füllten die Leserbriefseiten der regionalen Presse. In seinem Gutachten schätzte March die Umbaukosten auf 20 bis 30 Millionen Mark und veranschlagte mehrere Jahre Bauzeit. Das dauerte dem „Club“ zulange, er favorisierte fortan den Ausbau des städtischen Stadions, der schließlich 1964 in Angriff genommen wurde. Danach beschloß die Stadt in einer Grundsatzentscheidung 1969, die Kongreßhalle als Lagerraum zu nutzen und baute einen zweiten Lastenaufzug ein.
18 Jahre später, im Mai 1987, griff der Vorsitzende der Nürnberger Jungen Union, Roland Fleck, als wäre die Zeit stehen geblieben, den Stadionvorschlag erneut auf. Er wandte sich dabei gegen eine „Mahnmal-Inflation“ und forderte den Umbau in ein „modernes und architektonisch reizvolles Fußballstadion“. Damit wären, so Fleck, „alle Probleme gelöst“.
Probleme zu dieser Zeit machen der Stadt vier Nürnberger Geschäftsleute. Unter dem Namen „Kongreß&Partner“ wollen sie die Kongreßhalle kommerziell nutzen. Für 500 Millionen Mark Investitionskosten sollen eine Ladenstraße mit Restaurants, Kinos, Büros und Discos sowie auf dem Dach Penthäuser und ein Schwimmbad entstehen. Selbst ein Altenheim mit Krankenhaus und ein Hotel beinhaltet das Konzept.
Die Parteien reagieren in gewohnter Tradition. Sie argumentieren ökonomisch. Die SPD begrüßt die „unternehmerische Phantasie“, befürchtet jedoch eine ernste Bedrohung für den Einzelhandel, die CSU hält das „kühne Projekt“ prinzipiell für richtig, die FDP begrüßt den „unternehmerischen Mut“, selbst der Leiter des Nürnberger Denkmalschutzamtes gibt grünes Licht. Hinter den Kulissen haben, bevor der Stadtrat das Konzept zu Gesicht bekommt, bereits eineinhalb Jahre lang SPD-Wirtschaftsreferent Doni und SPD-Stadtkämmerer Schmitz mit den Initiatoren verhandelt. Schmitz äußert sein Interesse an einer derartigen „Entmythologisierung des Bauwerks“.
Erst als eine eilig gegründete Bürgerinitiative mit europaweitem Protest gegen das Freizeit- und Konsumcenter droht, werden die Parteien nachdenklich und stellen das Projekt zurück. Die Initiative um den renommierten Architekten Konrad Biller hat gehofft, daß 50 Jahre nach Baubgeinn die Sensibilität vorhanden sei, „die Kongreßhalle als Denkmal der Nazizeit ins Bewußtsein zu bringen und sie zu einem dem Verfall preiszugebenden Mahnmal zu erklären“. Während demnach die Nutzung als Lagerhalle erhalten bleiben kann, soll der Innenraum zum Verfallsbereich werden. „Zuerst kommt wilder Bewuchs im Innengelände, dann an der Ziegelfront, dann fallen die ersten Steine.“ Ein Informations-Pavillon am Eingang zur Kongreßhalle soll, so BI-Mitglied Dietzfelbinger, „den roten Faden von Auschwitz zur Kongreßhalle ziehen, denn schließlich wollten sich in der Halle die Sieger feiern lassen“. Die Initiative will solange an ihrem Verfallsmodell festhalten, bis eine Auseinandersetzung über die Kongreßhalle erfolgt.
Bisher hat es die Stadt lediglich geschafft, unter dem Druck der Gedenkjahre 1983 (50 Jahre Machtergreifung) und 1985 (50 Jahre Nürnberger Gesetze, 40 Jahre Nürnberger Prozesse) im sogenannten „Goldenen Saal“ unter der Zeppelintribüne die Ausstellung Faszination und Gewalt zu installieren. Nur drei Monate im Jahr jeweils halbtags ist diese Ausstellung geöffnet und zieht trotzdem bis zu 20.000 Zuschauer an. Nur 80.000 Mark ist der rot-grünen Stadtratsmehrheit dieses Stück Vergangensheitsaufarbeitung wert, die CSU wollte im letzten Jahr den Zuschuß gar auf 50.000 und damit unter die Betriebskosten drücken. Die 70.000 Mark, die für die Aufstellung von vier bereits seit zwei Jahren fertiggestellten Informationstürmen auf dem Reichsparteitagsgelände benötigt werden, hat die Stadt bis heute nicht zur Verfügung gestellt.
Wolfgang Weiß, Leiter des Pädagogischen Instituts (PI), ist des alljährlichen Bangens um den Zuschuß inzwischen überdrüssig. Er fordert den Ausbau von Faszination und Gewalt zur Dauerausstellung sowie eine Außenstelle in der Kongreßhalle. Nur dann, so Weiß, könnte man darauf hinwirken, daß die Ausstellung und damit auch das Reichsparteitagsgelände in den Prospekten des Verkehrsamtes und im Stadtplan zu finden sind. SPD will
Faszination brechen
An dem Ausbau der Ausstellung Faszination und Gewalt setzt auch das Modell der SPD an. Mit einem festen Betreuerstab soll die Ausstellung allmählich inhaltlich erweitert werden. Unter anderem sollen die Bereiche Herkunft und Psychologie der NS-Führer, Selbstverständnis und Denkstrukturen der Mitläufer, Faschismus heute im In- und Ausland hinzukommen. Zusätzlich soll in der Kongreßhalle in einer Stufenkonzeption ein „Museum für Zeitgeschichte“ aufgebaut werden. Den Anfang soll ein Dokumentationszentrum bilden, um „Nürnbergs Willen und Fähigkeit zum verantwortlichen Umgang mit der Vergangenheit“ zu belegen. Historische und aktuelle Materialien über faschistische Herrschaftssysteme und -tendenzen im In- und Ausland sollen dort gesammelt, geordnet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wichtiger Aspekt dabei ist es, die Faszination der Bauten, die diese als Ruinen immer noch ausstrahlen, zu brechen und den „Irrwitz des NS-Systems zu veranschaulichen“.
Den Plan der SPD, das „Berlin Document Center“ nach Nürnberg zu holen, mußten die Initiatoren jedoch inzwischen begraben. Der Innenausschuß des Bundestags gab dem Koblenzer Bundesarchiv den Vorzug. Während Kritiker auf die Unverbindlichkeit und den publikumswirksamen Charakter der „Denkschrift“ hinweisen, bestätigt Mitautor Carlo Jahn den ernsthaften Charakter des Konzepts. Die Stadt könne es sich nicht leisten, den Entwurf unter den Tisch fallen zu lassen. Horst Schmidbauer, SPD-Unterbezirksvorsitzender, gesteht zwar ein, daß die Stadt das Vorhaben „nie und nimmer allein“ finanzieren könnte, will aber Bonn damit keineswegs aus der Verantwortung entlassen, „schließlich sind die Bauten ein nationales Erbe“. Bundesbauminister Oscar Schneider, der in den 70er Jahren sein Desinteresse an der Vergangenheit der Bauwerke nie verhehlt hat, räumt dem Projekt eines „Museums für Zeitgeschichte“ bereits Chancen ein. Er stehe „dem prüfenswerten Vorschlag aufgeschlossen gegenüber“.
Während sich Nürnbergs Stadtrat demnächst mit den SPD -Plänen auseinandersetzen muß, beweist demgegenüber die von der SPD dominierte Verwaltung weiterhin Kontinuität im pragmatischen, unkritischen Umgang mit den „Worten aus Stein“. Das Baureferat läßt derzeit vom Denkmalschutz prüfen, ob man die Granitplatten der „Großen Straße“ völlig entfernen könne, um die Straße als Großparkplatz asphaltieren zu lassen. Im Rahmen der inzwischen wieder verworfenen Planungen zur Bundesgartenschau sollte die Straße zur „Friedensallee“ umgebaut werden. Aus der Kongreßhalle sollte ein überdimensionales Gewächshaus werden. „Die Verwaltung wollte damit sprichwörtlich Gras über die Geschichte wachsen lassen“, empört sich PI-Chef Weiß. Auch „Kongreß&Partner“ lassen keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, daß ihre Pläne nicht endgültig vom Tisch, sondern nur zurückgezogen sind. Bei einer Verwirklichung dieses Planes befürchtet Dietzfelbinger, daß dann „nahtlos in der Originalfassade die geistige Entsorgung der Vergangenheit im Zeichen der Gnade der späten Geburt nachgeholt wird“.
Nürnbergs Erbe - die „Worte aus Stein“ SPD will Nutzung des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes der NSDAP politisch in die Hand nehmen / Museum und Dokumentationszentrum geplant / Über 40 Jahre lang Flucht vor der Vergangenheit / Verdrängung und Vermarktung der Bauten: Pläne reichten vom Autokino über ein Altenheim bis hin zum Großstadion
FREITAG, 10/3/89INLAND HINTERGRUND11
... finden sich heute Tausende von Zuschauern ein, um zum Beispiel Autorennen anzuschauen
Fotos: Bildstelle - Hochbauamt - Stadt Nürnberg
Die Zeppelintribüne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände: Wo einst der „Führer“ seine Feldgottesdienste zelebrierte ... Von Bernd Siegler
Ein ganz normaler Tag, Ende Februar. Im Seitenflügel der Kongreßhalle residiert - streng geheim - die Nürnberger Befehlszentrale für die Nato-Stabsrahmenübung „Wintex 89“. Ein paar hundert Meter weiter trainieren Tennisspieler an der Mauer der Zeppelintribüne Returns und Slice-Schläge. Derweil postieren verstohlen gestandene Familienväter dort, wo einst Hitler die Massen hysterisiert hat, mit erhobenem Arm für das Fotoalbum. Jetzt, 62 Jahre nach dem ersten Reichsparteitag in Nürnberg und mehr als 43 Jahre nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes, will Nürnbergs Sozialdemokratie sich der Auseinandersetzung mit dem baulichen Erbe der Nazis, den „Worten aus Stein“ (Hitler) stellen.
„Keine Stadt der Bundesrepublik hat so deutliche Spuren nationalsozialistischer Herrschaft aufzuweisen wie Nürnberg“, heißt es in der vom SPD-Unterbezirksvorstand vorgelegten „Denkschrift über die zukünftige Nutzung des ehemaligen NSDAP-Reichsparteitagsgeländes“. Kern dieser Denkschrift ist die Aufarbeitung der Geschichte dieser Bauten - der sogenannten Führertribüne auf dem Reichsparteitagsgelände und dem Kongreßhallentorso - in Form eines Dokumentationszentrums und Museums für Zeitgeschichte. Nachdem die Jahreshauptversammlung der SPD am Samstag das Nutzungskonzept übernommen hat, ist es jetzt Aufgabe der Stadtratsfraktion, die über 40 Jahre andauernde Periode der Fluchtversuche vor der Vergangenheit zu beenden und, so Nürnbergs SPD-Vorsitzender Schmidbauer, „die Sache politisch wirklich in die Hand zu nehmen. Kultstätten mit Ewigkeitswert
Nach Parteitagen in München und Weimar fiel schon 1927 die Wahl der Nationalsozialisten auf Nürnberg als Versammlungsort. Neben der zentralen Lage der Stadt mit ihrer guten Verkehrsanbindung verlockte vor allem die Möglichkeit, die historisch-romantische Kulisse und die Reichstradition der Stadt für die Selbstdarstellung der NSDAP zu nutzen. Nach dem Parteitag 1929 hatte sich die Stadt zwar geweigert, in den folgenden beiden Jahren Gebäude für die Massenveranstaltungen zur Verfügung zu stellen, doch schon zwei Jahre später kam sie dem „persönlichen Willen des Führers“ nach. Nürnberg wurde zur „Stadt der Reichsparteitage“. Ende 1934 legte Albert Speer schließlich einen Gesamtplan für die „Tempelstadt der Bewegung“ vor. Die größte Halle der Welt (Kongreßhalle), die größte Manöver -Arena (Märzfeld) und das größte Stadion („Deutsches Stadion“ mit 405.000 Plätzen) sollten entstehen.
Von Jahr zu Jahr wurden die Inszenierungen der Parteitage immer perfekter. Massenkundgebungen, Weihestunden, Aufmärsche, Feuer- und Lichteffekte, Treueschwüre und Führerkult bestimmten die Dramaturgie. Die Monumentalität der Architektur verstärkte dabei die Emotionen oder, wie Hans-Ulrich Thamer, Professor für Neuere und Neueste Geschichte in München, behauptet: „Die Kongruenz von Architektur und Massenszenen macht die spezifisch nationalsozialistische Dimension innerhalb der politischen Ästhetik des Faschismus aus.“ Der letzte Parteitag 1939 unter dem Motto „Parteitag des Friedens“ wurde wegen des Überfalls auf Polen abgesagt. Mit Kriegsbeginn wurden die Bauarbeiten am Parteitagsgelände im Südosten Nürnbergs eingestellt. Lediglich an der Kongreßhalle wurde fieberhaft bis zum Winter 1942 weitergebaut. Dann wurden die großen Turmdrehkräne zum Bau der IG-Farben-Werke in Auschwitz gebraucht.
Nach dem Krieg erbte die Stadt das Gelände und damit Betonstraßen, Paradefelder, vollendete und unvollendete Bauten. Am liebsten hätte die Stadtverwaltung damals alles weggesprengt und damit die Vergangenheit per Bauschutt entsorgt. Doch die Beseitigung der Bauten, die 1.000 Jahre überdauern sollten und deren Ausstrahlungskraft als Ruinen bereits beim Bau miteinkalkuliert worden war, erwies sich als nicht finanzierbar. Lediglich die Türme des Märzfeldes und die Säulen des Kriegerdenkmals wurden 1967 gesprengt. Mit der Schlagzeile „Nürnberg merzt ein Stück Vergangenheit aus“ bewies die Lokalzeitung wenig sprachliche Sensibilität. Zum Leidwesen der Stadtväter wurde die Diskussion über die Beseitigung der „Worte aus Stein“ Mitte der 70er Jahre endgültig entschieden: Mit der Neufassung des bayerischen Denkmalschutzgesetzes wurden die Bauten als schutzwürdig eingestuft und mußten fortan erhalten werden. So versuchte die Stadt, die Kultstätten mit Ewigkeitswert in den Alltag zu integrieren.
Die mit Granitplatten gepflasterte „Große Straße“ dient heute als Parkplatz bei Großveranstaltungen wie Fußballspielen und Volksfesten. Auf der Zeppelintribüne finden Tausende von Zuschauern Platz, um Autorennen zu beobachten oder Bob Dylan und andere Rock-Koryphäen zu bejubeln. Ein Teil des Zeppelinfeldes nutzt die US-Army als Sportfeld, in dem 1928 errichteten Stadion, in dem sich einst die Hitlerjugend versammelte, kämpft der 1.FC Nürnberg in der Fußballbundesliga gegen den Abstieg. Eine der beiden Feuerschalen der Zeppelintribüne steigert im Kinderbecken des Stadionbades den Badespaß der Kleinen, am Kriegerdenkmal, dem zentralen Element der Luitpold-Arena für die Totenehrung, finden noch heute am Volkstrauertag die Feiern zum Gedenken an die Kriegsopfer statt.
Auch der Kongreßhallentorso ist nach Ansicht des Politologen Eckart Dietzfelbinger ein „Paradebeispiel für das Fehlen einer Auseinandersetzung mit der Geschichte“, und das, obwohl die Halle als eines der bedeutendsten Beispiele der NS-Architektur gilt. Die Kongreßhalle, das Lieblingsobjekt von Hitler, sollte mit 223 Metern Breite, 290 Metern Länge und 50 Metern Höhe ihr Vorbild, das römische Colosseum, um einiges übertreffen. Die für die Fassadenverkleidung benötigten Granitplatten wurden von Insassen des ca. 150 Kilometer von Nürnberg entfernten Konzentrationslagers Flossenbürg gebrochen. Ungeachtet dessen ist die Auseinandersetzung um die Nutzung des Torsos seit Kriegsende von ökonomisch-pragmatischen Erwägungen geprägt. Diese Art von „Vergangenheitsbewältigung“ brachte seltsame Blüten hervor. Heute wird die Halle konsequent als Lagerhalle genutzt. 45 Mietparteien, darunter das Großversandhaus Quelle, die Nürnberger Symphoniker und die Polizei, bringen der Stadt pro Jahr Mieteinnahmen in Höhe von einer Million Mark ein. Angesichts dieser Nutzung erfaßt Nürnbergs Kulturreferenten Hermann Glaser (SPD) beim Passieren des Torsos „jeweils eine tiefe Befriedigung“: eine unmenschliche Architektur dient heute als Warenlager und Depot, als riesiger Schuppen für Stapelware. Doch dabei wollte er es nicht belassen. Sein Vorschlag, auch die Geschichte der Kongreßhalle aufzuarbeiten und damit „die Steine zum Sprechen zu bringen“, fand bislang kein Gehör.
Bereits kurz nach Kriegsende schmiedete die Stadtverwaltung Pläne, den Torso als Ausstellungshalle und für Messezwecke zu nutzen. Tatsächlich fand dann dort 1949 mit über 500 Firmen aus dem In- und Ausland die „Deutsche Bauausstellung“ statt. Schon deren Motto „Wir müssen bauen“ ließ keinen Platz für Reflexion. Ebensowenig wie ein Jahr später, als die Stadt im Juli die Kongreßhalle in ihre 900-Jahr -Feierlichkeiten miteinbezog, als würde es sich um ein normales Gebäude ohne Geschichte handeln. In den Arkaden fand die Ausstellung zur Stadtgeschichte statt, die nicht vollendete zweite Etage diente den Besuchern als Freiluftcafe. Als Hauptattraktion zog schließlich ein Festzug von der Innenstadt zu dem Torso. Dort wurde das Jubiläum dann ausgelassen gefeiert. 1962: Stadionumbau mit ehemaligen NS-Architekten
Pläne, den Torso zum Autokino oder zum Altenheim mit begrüntem Innenhof umzubauen, verschwanden schnell wieder in den Schubladen. Ernsthaft dagegen wurde die Planung für den Umbau zum Großstadion betrieben. Parallel dazu wurde überlegt, die Halle als Massenquartier zu nutzen bzw. den Sudetendeutschen Landsmannschaften als Versammlungsort zur Verfügung zu stellen. Doch nachdem der 1.FC Nürnberg 1962 seine 8.Meisterschaft gewonnen hatte und mit einem neuen Stadion in den Bundesligastart 1963 gehen wollte, ließ die Fußballeuphorie die Stadionpläne wieder in den Vordergrund rücken. Auf Empfehlung des Deutschen Fußballbundes (DFB) engagierte die Stadt einstimmig den Architekten Werner March, den Planer des Reichssportfeldes samt Olympiastadion in Berlin. Im Oktober '62 setzte dann der städtische Bauausschuß die Honorarsumme für den ehemaligen NS -Architekten auf 210.000 Mark „mit einem erwarteten entsprechenden Leistungsbild“ fest. Vorher hatte bereits Nürnbergs Oberbürgermeister Urschlechter festgestellt, daß der „Weg zum Großstadiontorso“ richtig sei. Eine Diskussion um die Person Marchs fand übrigens nicht statt. Im Gegenteil, begeisterte Zuschriften über den „Traum vom Großstadion“ füllten die Leserbriefseiten der regionalen Presse. In seinem Gutachten schätzte March die Umbaukosten auf 20 bis 30 Millionen Mark und veranschlagte mehrere Jahre Bauzeit. Das dauerte dem „Club“ zulange, er favorisierte fortan den Ausbau des städtischen Stadions, der schließlich 1964 in Angriff genommen wurde. Danach beschloß die Stadt in einer Grundsatzentscheidung 1969, die Kongreßhalle als Lagerraum zu nutzen und baute einen zweiten Lastenaufzug ein.
18 Jahre später, im Mai 1987, griff der Vorsitzende der Nürnberger Jungen Union, Roland Fleck, als wäre die Zeit stehen geblieben, den Stadionvorschlag erneut auf. Er wandte sich dabei gegen eine „Mahnmal-Inflation“ und forderte den Umbau in ein „modernes und architektonisch reizvolles Fußballstadion“. Damit wären, so Fleck, „alle Probleme gelöst“.
Probleme zu dieser Zeit machen der Stadt vier Nürnberger Geschäftsleute. Unter dem Namen „Kongreß&Partner“ wollen sie die Kongreßhalle kommerziell nutzen. Für 500 Millionen Mark Investitionskosten sollen eine Ladenstraße mit Restaurants, Kinos, Büros und Discos sowie auf dem Dach Penthäuser und ein Schwimmbad entstehen. Selbst ein Altenheim mit Krankenhaus und ein Hotel beinhaltet das Konzept.
Die Parteien reagieren in gewohnter Tradition. Sie argumentieren ökonomisch. Die SPD begrüßt die „unternehmerische Phantasie“, befürchtet jedoch eine ernste Bedrohung für den Einzelhandel, die CSU hält das „kühne Projekt“ prinzipiell für richtig, die FDP begrüßt den „unternehmerischen Mut“, selbst der Leiter des Nürnberger Denkmalschutzamtes gibt grünes Licht. Hinter den Kulissen haben, bevor der Stadtrat das Konzept zu Gesicht bekommt, bereits eineinhalb Jahre lang SPD-Wirtschaftsreferent Doni und SPD-Stadtkämmerer Schmitz mit den Initiatoren verhandelt. Schmitz äußert sein Interesse an einer derartigen „Entmythologisierung des Bauwerks“.
Erst als eine eilig gegründete Bürgerinitiative mit europaweitem Protest gegen das Freizeit- und Konsumcenter droht, werden die Parteien nachdenklich und stellen das Projekt zurück. Die Initiative um den renommierten Architekten Konrad Biller hat gehofft, daß 50 Jahre nach Baubgeinn die Sensibilität vorhanden sei, „die Kongreßhalle als Denkmal der Nazizeit ins Bewußtsein zu bringen und sie zu einem dem Verfall preiszugebenden Mahnmal zu erklären“. Während demnach die Nutzung als Lagerhalle erhalten bleiben kann, soll der Innenraum zum Verfallsbereich werden. „Zuerst kommt wilder Bewuchs im Innengelände, dann an der Ziegelfront, dann fallen die ersten Steine.“ Ein Informations-Pavillon am Eingang zur Kongreßhalle soll, so BI-Mitglied Dietzfelbinger, „den roten Faden von Auschwitz zur Kongreßhalle ziehen, denn schließlich wollten sich in der Halle die Sieger feiern lassen“. Die Initiative will solange an ihrem Verfallsmodell festhalten, bis eine Auseinandersetzung über die Kongreßhalle erfolgt.
Bisher hat es die Stadt lediglich geschafft, unter dem Druck der Gedenkjahre 1983 (50 Jahre Machtergreifung) und 1985 (50 Jahre Nürnberger Gesetze, 40 Jahre Nürnberger Prozesse) im sogenannten „Goldenen Saal“ unter der Zeppelintribüne die Ausstellung Faszination und Gewalt zu installieren. Nur drei Monate im Jahr jeweils halbtags ist diese Ausstellung geöffnet und zieht trotzdem bis zu 20.000 Zuschauer an. Nur 80.000 Mark ist der rot-grünen Stadtratsmehrheit dieses Stück Vergangensheitsaufarbeitung wert, die CSU wollte im letzten Jahr den Zuschuß gar auf 50.000 und damit unter die Betriebskosten drücken. Die 70.000 Mark, die für die Aufstellung von vier bereits seit zwei Jahren fertiggestellten Informationstürmen auf dem Reichsparteitagsgelände benötigt werden, hat die Stadt bis heute nicht zur Verfügung gestellt.
Wolfgang Weiß, Leiter des Pädagogischen Instituts (PI), ist des alljährlichen Bangens um den Zuschuß inzwischen überdrüssig. Er fordert den Ausbau von Faszination und Gewalt zur Dauerausstellung sowie eine Außenstelle in der Kongreßhalle. Nur dann, so Weiß, könnte man darauf hinwirken, daß die Ausstellung und damit auch das Reichsparteitagsgelände in den Prospekten des Verkehrsamtes und im Stadtplan zu finden sind. SPD will
Faszination brechen
An dem Ausbau der Ausstellung Faszination und Gewalt setzt auch das Modell der SPD an. Mit einem festen Betreuerstab soll die Ausstellung allmählich inhaltlich erweitert werden. Unter anderem sollen die Bereiche Herkunft und Psychologie der NS-Führer, Selbstverständnis und Denkstrukturen der Mitläufer, Faschismus heute im In- und Ausland hinzukommen. Zusätzlich soll in der Kongreßhalle in einer Stufenkonzeption ein „Museum für Zeitgeschichte“ aufgebaut werden. Den Anfang soll ein Dokumentationszentrum bilden, um „Nürnbergs Willen und Fähigkeit zum verantwortlichen Umgang mit der Vergangenheit“ zu belegen. Historische und aktuelle Materialien über faschistische Herrschaftssysteme und -tendenzen im In- und Ausland sollen dort gesammelt, geordnet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wichtiger Aspekt dabei ist es, die Faszination der Bauten, die diese als Ruinen immer noch ausstrahlen, zu brechen und den „Irrwitz des NS-Systems zu veranschaulichen“.
Den Plan der SPD, das „Berlin Document Center“ nach Nürnberg zu holen, mußten die Initiatoren jedoch inzwischen begraben. Der Innenausschuß des Bundestags gab dem Koblenzer Bundesarchiv den Vorzug. Während Kritiker auf die Unverbindlichkeit und den publikumswirksamen Charakter der „Denkschrift“ hinweisen, bestätigt Mitautor Carlo Jahn den ernsthaften Charakter des Konzepts. Die Stadt könne es sich nicht leisten, den Entwurf unter den Tisch fallen zu lassen. Horst Schmidbauer, SPD-Unterbezirksvorsitzender, gesteht zwar ein, daß die Stadt das Vorhaben „nie und nimmer allein“ finanzieren könnte, will aber Bonn damit keineswegs aus der Verantwortung entlassen, „schließlich sind die Bauten ein nationales Erbe“. Bundesbauminister Oscar Schneider, der in den 70er Jahren sein Desinteresse an der Vergangenheit der Bauwerke nie verhehlt hat, räumt dem Projekt eines „Museums für Zeitgeschichte“ bereits Chancen ein. Er stehe „dem prüfenswerten Vorschlag aufgeschlossen gegenüber“.
Während sich Nürnbergs Stadtrat demnächst mit den SPD -Plänen auseinandersetzen muß, beweist demgegenüber die von der SPD dominierte Verwaltung weiterhin Kontinuität im pragmatischen, unkritischen Umgang mit den „Worten aus Stein“. Das Baureferat läßt derzeit vom Denkmalschutz prüfen, ob man die Granitplatten der „Großen Straße“ völlig entfernen könne, um die Straße als Großparkplatz asphaltieren zu lassen. Im Rahmen der inzwischen wieder verworfenen Planungen zur Bundesgartenschau sollte die Straße zur „Friedensallee“ umgebaut werden. Aus der Kongreßhalle sollte ein überdimensionales Gewächshaus werden. „Die Verwaltung wollte damit sprichwörtlich Gras über die Geschichte wachsen lassen“, empört sich PI-Chef Weiß. Auch „Kongreß&Partner“ lassen keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, daß ihre Pläne nicht endgültig vom Tisch, sondern nur zurückgezogen sind. Bei einer Verwirklichung dieses Planes befürchtet Dietzfelbinger, daß dann „nahtlos in der Originalfassade die geistige Entsorgung der Vergangenheit im Zeichen der Gnade der späten Geburt nachgeholt wird“.
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