BGA unter Entscheidungsdruck

Unter Zeitdruck und auf rechtlich wankendem Boden steht das Bundesgesundheitsamt (BGA) vor einer Entscheidung von historischer Dimension. In Köln sollen erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gentechnisch veränderte Organismen auf den Acker kommen.

Seit die „Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit“ der geplanten Freisetzung von etwa 37.000 gentechnisch veränderten Petunien auf einem Erbpachtgelände des Kölner Max-Planck-Instituts (MPI) für Züchtungsforschung vergangene Woche den Stempel der „Unbedenklichkeit“ aufdrückte, ist das Berliner Amt am Zug. Im BGA ist man darüber alles andere als glücklich. Denn die Petunien sollen in diesem Sommer im quasi rechtsfreien Raum aufblühen. Das BGA kann sich bei seiner Entscheidung nur auf eine schlichte Richtlinie des Bundesforschungsministeriums aus dem Jahre 1986 stützen. Freimütig bekennt BGA-Sprecher Henning: „Uns wäre viel lieber, es wäre ein Gesetz da.“ Das jedoch liegt (s. Beitrag auf dieser Seite) erst in einer völlig unausgereiften Rohfassung auf dem Tisch.

Neben dem BGA muß auch die in Braunschweig ansässige Biologische Bundesanstalt ihr „Einvernehmen“ mit dem Experiment erklären. Davon allein will das Berliner Amt den Ausgang der Hängepartie jedoch nicht abhängig machen. Zusätzlich und über die Vorschriften hinaus sollen weitere, nicht genannte Wissenschaftler Stellung nehmen. Auch Bundesumweltminister Töpfer wollen die Berliner zur Absicherung ihrer Entscheidung befragen. Käme das BGA am Ende der Prozedur zu einer von der zustimmenden Entscheidung der ZKBS abweichenden Empfehlung, müßte sie das gegenüber den Antragstellern des Kölner MPI „schriftlich begründen“.

Unterdessen monieren namhafte Rechtswissenschaftler, daß „der Gesetzgeber seinem verfassungsrechtlichen Regelungsauftrag noch nicht nachgekommen“ ist. Solange dies nicht geschehen sei, mangele es jeder Freisetzungsentscheidung an „Rechtssicherheit“. Anwohner des geplanten Petunien-Versuchs in Köln-Vogelsang hätten als Kläger gute Aussichten, den rechtsfreien Raum zu besetzen. Die nordrhein-westfälischen Grünen wollen nun die Klagemöglichkeiten gegen den Petunien-Versuch in einem Rechtsgutachten aufdröseln lassen.

Im Max-Planck-Institut in Köln laufen die Vorbereitungen für das Experiment unterdessen auf Hochtouren. Gegenwärtig werden die benötigten 30- bis 40.000 mit einem fremden Mais -Gen versetzten Petuniensamen produziert. Spätestens Mitte April läuft der Countdown an. Dann nämlich müssen die Samen

-zunächst im Gewächshaus - ausgesät werden, wenn das Experiment noch in diesem Sommer über die Bühne gehen soll. Der Zaun, der Forscher und Petunien vor ungebetenen Gästen schützen soll, ist auch schon da. Abhalten, meint Peter Meyer vom MPI, könne der jedoch niemanden: „Das ist eher ein Zäunchen.“

Gerd Rosenkranz