piwik no script img

Bush läßt Tower fallen

US-Präsident gibt Versuch, John Tower zum Verteidigungsminister zu machen, auf  ■  Aus Washington Stefan Schaaf

Die schwere politische Niederlage für George Bush - die sich seit Mitte Februar im Kampf um die Nominierung John Towers zum Verteidigungsminister angedeutet hat - ist gestern Gewißheit geworden. US-Präsiden Bush hat den Versuch, den 63 -jährigen Texaner zu seinem Verteidigungsminister zu machen, aufgegeben. „Wir haben einen langen Kampf hart und gut gefochten“, sagte der Sprecher des Weißen Hauses Marlin Fitzwater, in Washington. Der Präsident werde „sehr schnell“ einen neuen Kandidaten vorschlagen.

Das Debakel für Bush wurde deutlich, als sich bei einer Senatsdebatte am Mittwoch vier bisher unentschiedene Senatoren aus der Demokratischen Partei im Laufe der Debatte gegen Tower aussprachen. Damit werden 53 der 100 Senatoren gegen ihn stimmen und ihm somit die Ernennung zum Pentagon -Chef verwehren.

Der Senatsführer der Republikaner, Robert Dole, sagte am frühen Abend: „Ich habe heute nachmittag mit John Tower gesprochen. Ich sagte Senator Tower, daß es nicht gut aussieht. Ich sagte ihm, daß wir meiner Ansicht nach nicht die nötigen Stimmen haben. Ich sagte ihm, daß der wichtigste Einwand, den ich von Senatoren gehört habe, für die Fortsetzung auf Seite 2

FORTSETZUNG VON SEITE 1

ich Respekt aufbringe, das Alkoholproblem sei.“ Andere Senatoren hatten Zweifel wegen Towers lukrativer Lobbytätigkeit für Rüstungsfirmen. Wenig später sprang Dole doch noch einmal für Tower in die Bresche: „Ich schlage vor, daß Tower George Bush ein auf den 1.Oktober 1989 datiertes Rücktrittsschreiben übergibt. Tower erhält eine Probezeit von sechs Monaten, danach werden wir hier ein zweites Mal über seine Ernennung abstimmen.“

Doch in der Demokratischen Partei wurde dieser ungewöhnliche Vor

schlag kühl aufgenommen. „Das nationale Interesse verlangt es, daß wir prompt zur Ernennung eines permanenten Verteidigungsministers kommen“, so der demokratische Senatsführer George Mitchell. Sein Parteikollege Robert Byrd nannte Doles Idee „eine Verzweiflungsaktion“, der er nicht zustimmen könne.

Die Pro-Tower-Fraktion tat sich schwer, ihre Niederlage einzugestehen. Sie hatte in den letzten Tagen noch Hoffnung schöpfen können, da doch noch einige, vielleicht sogar genug Senatoren aus der Demokratischen Partei in ihr Lager übergelaufen waren. Vor allem als Lloyd Bentsen, der Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten im vergangenen Jahr sich für Tower aussprach.

Die offene Frage am Ende dieser bitteren parlamentarischen Auseinandersetzung ist, welche Auswirkungen sie auf die weitere Amtsführung George Bushs haben wird. Bush hatte von Anfang an jeden Zweifel an Towers Charakter zurückgewiesen und durch mehrere ungeschickte Handlungen den Ärger der Tower-Gegner noch geschürt.

Mit der Ablehnung Towers hat der Senat sich eine viel stärkere politische Stellung erkämpft, als er sie historisch innehat. Bisher hatte er Nominierungsanhörungen vor allem benutzt, um seine politischen Ziele mit denen eines neuen Kabinettsmitglieds zu konfrontieren. Noch nie wurde aber einem neugewählten Präsidenten die Ernennung eines

Ministers, schon gar nicht eines so wichtigen, verweigert.

Bush wird es nun sehr viel schwieriger haben, seine wirtschaftspolitische Gratwanderung fortzusetzen, zu der ihn das Budgetdefizit und die Verschuldung der US-Staatskasse zwingt. Obendrein wird immer lauter nach dem weiteren Kurs der Bush-Administration gefragt, die in zahlreichen Ministerien noch nicht einmal die wichtigen Positionen unterhalb des jeweiligen Ministers besetzt hat. Während andere Präsidenten in den ersten hundert Tage ihrer Amtszeit die Weichen für ihre ambitioniertesten Vorhaben gestellt haben, kann Bush bisher nur ein Staatsbegräbnis und einen verlorenen Kampf mit dem Kongreß vorweisen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen