: Hans-Dampf-in-allen-Gassen
■ Das DIX ist tot, es lebe DACAPO: Peter Apel, bekannt geworden als Petra Pela, mit seiner neuen Formation „Ensemble Raum 19“ und erwartungsvollen Bremer Menschen in den Weserterrassen
Peter Apel ist Bremens musikalischer Hans-Dampf-in-allen -Gassen. Als „Petra Pela“ hat er die Rockszene unterwandert, mit dem KROSS-Orchester einst feiernde Taz-Leser zu Haß-und Liebesausbrüchen genötigt, einem New-Jazz-Quartett steht er vor, und er unterlegt auch schon mal bei einer Vernissage mystische Bilder mit schrillen Tönen. So waren es immerhin 80 Bremer, die sich von seinem neuen „En
semble Raum 19“ in der Hoffnung auf einen spannenden Abend in die Weserterrassen hatten locken lassen.
Skeptisch zunächst, die Erinnerung an das Dada-Chaos vom „KROSS„-Projekt schwebte über den Erwartungen, doch siehe: Apels Wilde 13 blies ihrem Publikum die festgewachsenen Hörgewohnheiten derart unbekümmert aus den Ohren, daß sich die Zurückhaltung flugs in helle Begeisterung verwandelte. Vier Bläser, zwei Kontrabassisten, ein Schlagzeuger, ein Gitarrist und fünf von KROSS versprengte Vokalisten boten eine gewagte Mischung aus Struktur und Freiraum, aus Ordnung und Chaos, aus Avantgarde und Tradition. Gleich zu Beginn gaben sie die Richtung vor: Die Sänger zischten den Bandnamen als Buchstabensalat, die Musikanten krachten mit ohrenbetäubenden Schlag dazwischen, aus der sekundenlangen Stille danach hob sich ein fast romantisch anmutendes Saxophonsolo, das im Verlauf von den anderen Bläsern in extremere Bereiche bis schließlich zur völligen Auflösung gedrängt wurde.
Steter Wechsel dann zwischen vertrauten und unerhörten Momenten, free-style-Big-Band-Sound und Bebop, lautmaleri
sches Stimmenwirrwarr und fein ausgearbeitete Soli von Apel (g), Eckhard Petri (Altsaxophon) und Gernot Borrek (Tenorsax).
Zwischendurch ein bemerkenswertes Duett zwischen Euphonium und Posaune (Uli Sobotta und Trugott Thelitz) und eine A -Capella-Collage der Vokalisten, die noch am ehesten an die dadaistischen Klangexperimente von KROSS erinnerte. Ansonsten waren jetzt die ordnenden Hände von Peter Apel und vom zurückhaltenden Mitkomponisten Günther Spät spürbar, die Stücke wucherten zwar bisweilen an die Grenze des von einem heterogenen Publikum Auffaßbaren, aber nicht (mehr) darüber hinaus. Und wenn doch, dann mit Ironie: Das Schlußcrescendo steigerte sich zum Irrwitz. Drummer Hans Clauss wirbelte Dutzende von Sticks durch die Gegend, mitten hinein geriet die Vorstellung der Bandmitglieder, und alle redeten durcheinander. Als sie abgingen, sah die Bühne aus, als hätte jemand einen Sack mit Notenblättern verstreut, eine Zugabe gabs nicht. Die Musiker seien ausgespielt, meinte Claussi, und man möge Verständnis haben. Hatten wir doch, wo wir wissen: Das DIX ist tot. Es lebe DACAPO.
Rainer Köster
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