: Die durch die Hölle gehen
Hannover 96 - 1. FC Kaiserslautern 0:0 / Ungeliebte Trainer und ein gedopter Knallfrosch ■ Aus Hannover Matti Lieske
Eine Sache haben Hannover 96 und der 1. FC Kaiserslautern gemeinsam: beide können ihre Trainer nicht leiden. Die Pfälzer möchten Sepp Stabel, der seine aktive Zeit vorwiegend als geduldiger Ersatzkeeper hinter Ronnie Hellström verbrachte, am Ende der Saison gern durch Hennes Löhr ersetzen, bei Hannover lauern u.a. Rainer Bonhof und Charlie Mrosko auf den Posten von Hans Siemensmeyer.
In der Pfalz stößt der Stabel-Sturz zwar auf den Beifall von Spielmacher Wuttke, der schon lange öffentlich fragt, was ihm ein ehemaliger Torwart schon beibringen könne, die Fans aber ziehen den vom störrisch-pragmatischen Geist der Pfalz umwehten Stabel der Frohnatur vom Rhein allemal vor. „Seppl, bleib beim FCK, wir jagen Löhr nach Panama“, lautet das Versprechen der Betzenberger.
„Ein Bundesligatrainer muß schon einmal durch die Hölle gegangen sein“, findet 96-Präsident Horst-Fredo Henze, den viele Fans am liebsten daselbst sehen würden. Doch obwohl der derzeitige Coach der Hannoveraner in puncto Höllenfahrt eine reiche Erfahrung vorweisen kann - seine Spieler bescheren ihm dieses Erlebnis an jedem Wochenende -, will ihn Henze im nächsten Jahr partout ersetzen.
Eine ganz besondere Hölle erwartete die Hannoveraner diesmal vor 14.000 Zuschauern im heimischen Niedersachsenstadion: Die „Roten Teufel vom Betzenberg“ reisten an. Allerdings haben sich diese in der laufenden Saison auswärts nicht allzu diabolisch aufgeführt. Meist sahen sie ehrerbietig zu, wie die Gastgeber seelenruhig ihre Schäfchen ins Trockene brachten, und nahmen nur insgesamt vier Pünktlein mit nach Hause. In Hannover sollte aber Schluß sein mit der unteuflischen Schüchternheit. „Wir wollten gewinnen“, gab Stabel nach der Partie zu, und dementsprechend offensiv hatte er seine Mannen eingestellt.
Mit Forechecking versuchten die Lauterer, ihre nervlich zartbesaiteten Kontrahenten aus der Fassung zu birngen, der wackere Olympiakämpfer Michael Schulz eilte eifrig nach vorn, Axel Roos und Frank Hartmann sorgten auf dem rechten Flügel für Verwirrung, und auch Verteidiger Tom Dooley, früher Torjäger in Homburg, ließ den Kopf nicht hängen, sondern drang beharrlich in den gegnerischen Strafraum ein, um dort von seiner überdurchschnittlichen Körperlänge Gebrauch zu machen.
96 begann ebenfalls munter und druckvoll. Andrzej Palasz verteilte die Bälle und Dieter Schatzschneider wuchtete seine Pfunde beherzt durch den Pfälzer Strafraum. Fatale Ballverluste im Mittelfeld, vor allem vom designierten Spielmacher Dierßen, ließen jedoch bald den Wurm ins Hannoveraner Spiel krauchen und ermunterten die Lauterer zu raschen Kontern. Schnell wurde jedoch klar, warum die Teams ganz unten (96) oder nicht oben (1. FCK) stehen. Zu harmlos wirkten die Stürmer, zu großzügig und leichtfertig gingen sie mit den herausgespielten Möglichkeiten um.
In der zweiten Halbzeit kam bei den 96ern mit Grillemeier ein dritter Stürmer, der sich sogleich anschickte, aufgedreht durch den Fünfmeterraum der Lauterer zu purzeln. Schatzschneider, dessen Beweglichkeit sich zu der Grillemeiers so verhält wie die eines Medizinballes zu der eines gedopten Knallfrosches, zog sich zurück. Fortan erkor der in Ehren erspeckte Heimkehrer den Anstoßkreis zu seinem überwiegenden Aufenthaltsort, und wenn sich jemand diesem Terrain näherte, holzte er ihn erbarmungslos um.
Seine zweitgrößte Tat nach einem plazierten, von Torwart Ehrmann parierten Kopfball in der ersten Halbzeit, dem er allerdings nicht die Vehemenz früherer Tage verleihen konnte, vollbrachte Schatzschneider kurz vor Schluß. Wie ein vom Blitz getroffener Maikäfer sank er plötzlich hintenüber und bekam zur Belohnung für diese künstlerische Leistung einen Freistoß zugesprochen. Alle Schauspielkunst war indes vergebens, Reich plazierte das Schiedsrichterpräsent mit großer Präzision auf den Solarplexus von Ehrmann.
Kaiserslautern war jetzt zufrieden mit dem einen Punkt und beschränkte sich auf lange, mit sporadischen Vorstößen gewürzte Ballstaffetten. Franco Foda, der in Südamerika schon mal in der Nationalmannschaft mitspielen durfte und dabei vor allem dadurch auffiel, daß er kräftig nach Gegnerbeinen trat, was den Teamchef damals ausnehmend freute, führte bei Eckbällen und Freistößen die hohe Schule des gemessenen Schreitens vor. Auf die Art schaffte er es, ein Gutteil der restlichen Spielzeit zu vertrödeln.
Schließlich blieb es beim 0:0. Beide Noch-Trainer waren erleichtert, nicht verloren zu haben, und dachten bereits an künftige Aufgaben. Die nächste Hölle ist bekanntlich immer die schwerste.
HANNOVER: Raps - Pagelsdorf (66.Drews) - Kuhlmey, Surmann Prange (46.Grillemeier), Dierßen, Hellberg, Palasz, Dammeier - Reich, Schatzschneider
K'LAUTERN: Ehrmann - Emig - Friedmann, Schulz - Schupp, Foda, Hartmann, Roos, Dooley - Kohr, Labbadia
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