: „Ich mach‘ denen klar, daß das Kunst ist“
■ Interview mit Graffiti-Manager Adrian über legale Sprühaktionen, Hiphop-Kultur und die Szene-Verbindung Berlin - Paris
taz: Wann hast du das letzte Mal illegal gearbeitet, Adrian?
Adrian: Das liegt schon sehr lange zurück, so etwa ein Jahr.
Was hast du da gemacht?
Na eben so Takes, vor allem an Bewag-Kästen oder auf Sitzbänken. Ich hab deshalb schon oft Ärger mit der Polizei gehabt.
Wann hast du damit angefangen und warum?
Na, vor zwei Jahren ungefähr. Da gab's so Break-Dance-Filme im Fernsehen, das hab ich dann auch 'ne Zeit gemacht. Irgendwann hab ich dann keine Lust mehr auf Break-Dance gehabt und hab mit Takes angefangen. Aber jetzt manage ich eher.
Du bist 19 und schon Manager?
Ja, schon, ich besorg‘ die Aufträge, quatsch‘ die Leute voll und mach‘ denen klar, daß das Kunst ist. In New York ist das schon voll als Kunst anerkannt, hier in Berlin noch nicht so. Ich probier‘, die Kunst zu verkaufen.
Wie gehst du da vor?
Ich suche mir Geschäfte, guck‘ mir Schaufenster an und geh‘ rein. Dann zeig ich denen Fotos von Pieces und frag‘, ob sie sich was machen lassen wollen mit Air-Brush oder Sprühdose. Jetzt machen wir gerade was für einen Juwelier. Für den sollen wir eine Frau sprühen, die vor einem Typen wegläuft, der ihr die Juwelen wegnehmen will. Wir machen auch Zeichnungen auf T-Shirts oder Entwürfe für Konzertplakate oder Porträts. Viele Writer hier sprühen nur in eine Richtung, so Comic-Hiphopmäßig, aber wir machen auch Fantasy, Schwertkämpfe und so. Wir machen alles.
Die Szene ist schon etabliert?
Nee. Es gibt noch viele, die illegale Sachen machen. Und die meisten illegalen Writer haben was gegen legale Writer, weil die meinen, daß Graffiti eben illegal sein muß und das illegale Sachen besser aussehen. Die sagen, legale Writer sind alles Arschlöcher. Die finden das eben cooler.
Du findest das nicht cool?
Doch, ich würd‘ schon gerne illegal arbeiten, aber ich hatte zu oft Ärger mit der Polizei. Es macht schon Spaß, Angst zu haben, und ich find‘ es voll lustig, aber ich wurde zu oft erwischt.
Was heißt Hiphop für dich?
Für viele ist das 'ne Modewelle, ich werd aber immer dabei bleiben. Hiphop kommt aus New York, so Rap-Musik, schwarze Musik. Wir ziehen uns sportlich an, Adidas-Schuhe, Baseball -Mütze und so. Viele machen das nur aus Mode, aber die lachen wir aus. Hiphop ist aber auch sehr viel Gewalt. Bei 'ner Hiphop-Fete in Paris wurden mal drei Leute abgeknallt. Hiphop ist eben Gewalt, ich sag‘ das nicht gerne. Es gibt bei uns die „Zulu-Nation“, die leben nach bestimmten Regeln: Keine Drogen, keine Zigaretten, kein Alkohol und man darf keiner Organisation angehören, die Verbrechen begeht.
Du bist auch bei der „Zulu-Nation“?
Ja, ich bin Zulu-King.
Was?
Ich kann andere Leute zu Zulus machen. Zulu-Kings haben mehr Verantwortung zu tragen als andere Zulus. Da gibt's auch 'ne Zeitung, die in Europa rauskommt, da stehen die neuesten Sachen drin, nicht nur über die Zulu-Nation, auch hiphoppige Sachen.
Wo du gerade Europa sagst: Du managst auch Writer aus Paris, deine Leuten arbeiten sogar in Italien.
Ja, John One, ein Writer aus New York, der jetzt in Paris lebt, macht Sachen in Milano. Jay One auch. Ich fahr‘ oft nach Paris, um die zu besuchen, weil das meine Freunde sind, weil wir ein bißchen Spaß haben wollen. In Paris ist mehr los in der Hiphop-Szene, außerdem ist die Musik besser.
Wie kommst du da hin nach Paris?
Mit Holiday-Reisen, per Bus. Kostet 79 Mark, 15 Stunden Fahrt hin, zwölf Stunden Aufenthalt und dann zurück.
Wo leben die Berliner Writer?
Es gibt viele im Märkischen Viertel, aber die kommen aus ihren Löchern nicht so richtig raus und sind ein bißchen komisch.
Wieso?
Man kann mit denen nicht so reden, die verstecken ihre Sachen auch. Wir zeigen unsere Sachen offen und gerne, die nicht. In Kreuzberg gibt's auch 'ne Hiphop-Szene, sogar türkische Rapper, die Islamic Force. Und Graffiti-Sprüher, TGK, The Ghetto Kings zum Beispiel.
Sind das eher türkische oder deutsche Jugendliche?
Es gibt viele Deutsche und viele Ausländer. Aber es ist immer noch ein bißchen getrennt: Deutsche auf der einen Seite, Ausländer auf der anderen. Die Deutschen sind ein bißchen komisch. Die geben an. Wir Ausländer zeigen unsere Sachen gerne, aber die verstecken ihre Entwürfe. Oder wenn die Fotos aus anderen Städten haben, die zeigen die auch nicht. Die haben Angst, daß man ihnen was wegnimmt, die sind nicht offen. Dabei klauen die von uns die Ideen. Wir sind sowieso die besseren, und das wissen die auch.
Sprüht ihr eigentlich mit Treibgas?
Nee, wir benutzen FCKW-freie Sprühdosen. Da achten wir schon drauf. Wir leben ja auch auf dieser Welt.
Interview: ccm
Takes: graphisch gestaltete Namenszüge. Pieces: großflächige Motive.
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