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Deutschtümelei und Sparmaßnahmen

■ Der in die Drittklassigkeit abgesackte bundesdeutsche Handball soll restauriert werden Ivanescu wird als Bundestrainer abgelöst, der Deutsche Meister künftig durch Play-Off ermittelt

Berlin (taz) - Im Zeitalter des um sich greifenden Republikanismus und Chauvinismus ist nun auch der Deutsche Handball-Bund (DHB) vom Bazillus der Deutschtümelei befallen worden. Nach dem Jugoslawen Vlado Stenzel, dem Siebenbürger Simon Schobel und dem Rumänen Petre Ivanescu möchte DHB -Präsident Bernhard Thiele in Zukunft gern „einen deutschen Trainer“ die Geschicke der stärksten Werfer der Republik leiten lassen.

Ivanescu, der nach dem Scheitern bei der B -Weltmeisterschaft in Frankreich und dem Abrutschen in die C -Gruppe seinen Rücktritt angekündigt hatte, scheint endgültig „out“ zu sein. Obwohl der „fachlich unbestrittene“ Rumäne, dessen Vertrag am 30. Juni ausläuft, in den letzten Tagen eine Tendenz zur Besinnung und die „Lust, alles wieder in Ordnung zu bringen“ erkennen ließ, empfahl die Technische Komission (TK) des DHB am Wochenende „einen völligen Neuaufbau der DHB-Auswahl mit neuem Trainer“.

Außerdem verabschiedete die TK einen neuen Spielmodus für die Handball-Bundesliga, der sich am Play-Off-System im Eishockey orientiert. Von der kommenden Saison an wird der Sieger der Hauptrunde lediglich für den IHF-Cup qualifiziert sein, der Deutsche Meister soll danach im Play-Off der besten acht ermittelt werden. Wer zuerst zwei Siege errungen hat, zieht in die nächste Runde ein, wobei zuerst der Erste gegen den Achten, der Zweite gegen den Siebten, usw., antritt. Die drei Absteiger werden nach gleichem Muster von den letzten sechs der Hauptrundentabelle ausgespielt.

Gestern tagte nach Redaktionsschluß das Präsidium des DHB, um endgültig über Umstrukturierung und neuen Trainer zu beschließen. Die „Radikalkur an Haupt und Gliedern“, die der ehemalige DHB-Vize Henning Opitz gefordert hatte, schien jedoch nicht auf der Tagesordnung zu stehen. „Haupt“ Bernhard Thiele jedenfalls wies alle Schuld an dem Debakel von sich: „Die Verantwortung für die Katastrophe liegt bei anderen und nicht bei mir“, erklärte der Spitzenfunktionär bündig und ließ damit anklingen, daß die Pferdekur wohl doch nur den Gliedern zuteil werden wird.

Eine zentrale Figur beim Neuaufbau, der über die C -Weltmeisterschaft 1990 in Finnland und die B-WM 1992 in Österreich schnurstracks zur A-WM 1993 führen soll, wird in jedem Fall der 35jährige Horst Bredemeier, Trainer der Bundesligamannschaft TuRu Düsseldorf, sein. Er übernimmt die Junioren-Nationalmannschaft, deren aktuelle Spieler bei der A-WM 1993 und den Olympischen Spielen 1996 die Stützen der DHB-Auswahl sein werden.

Der erneute Anlauf der Weltmeister von 1978 in die Weltspitze wird allerdings mit weniger Geld bewerkstelligt werden müssen, obwohl eine Schmälerung der Sponsorenzuwendungen angeblich nicht zu befürchten ist. Das Innenministerium hat eine gewisse Zurückhaltung signalisiert, das Gesamtvolumen der Förderung von Lehrgängen des letzten Jahres, das eine halbe Million Mark betrug, wird nicht mehr erreicht. Für Vorbereitung und Länderspiele werden statt 90 bis 100 Tagen nur noch 60 Tage zur Verfügung stehen.

Der Baltic-Cup wird rigoros gestrichen. Schließlich war er es, der vor der diesjährigen B-WM die Spieler, die der absoluten Nummer eins des Handballs, der UdSSR, im Finale nur knapp unterlagen, von Weltmeistertitel und Olympiasieg träumen ließ. Statt dessen hagelte es Niederlagen gegen die Schweiz, Island und Dänemark. Bleibt abzuwarten, ob es der neuen Trainer-Crew im nächsten Jahr gelingen wird, die zarten Nerven der Handballprimadonnen erstmal gegen Gegner wie Irland, Zypern oder die Faröer-Inseln zu stabilisieren.

Matti

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