: Spontandemo gegen die NPD
Sonntag abend. Vor den Treppen des Römers sammeln sich schon vor 18 Uhr kleine Menschengruppen. Gegen 19.30 Uhr sind es dann so viele, daß der Platz vor dem historischen Frankfurter Rathaus gedrängt voll ist. In der Dunkelheit leuchten Fackeln, Fahnen und Transparente tauchen auf: „Nazis raus!“, „Nazis vertreiben, Ausländer bleiben“ oder einfach „Pfui!“.
Der Zug biegt um die Ecke in die Berliner Straße ein und zieht stundenlang durch die Innenstadt. Und es werden immer mehr. Aus Häusern, Seitenstraßen und U-Bahnen kommen die DemonstrantInnen, direkt vom Fernseher weg auf die Straße. Zeitweise sind es über 3.000, die da spontan Feste und Kneipen verlassen haben, um gegen den Einzug der NPD ins Rathaus zu protestieren.
Der Zug hält kurz am Börneplatz. Dort hatte die Stadt die Reste des jüdischen Ghettos (ausgerechnet) von den Gas- und Elektrizitätswerken planieren und überbauen lassen. Dann biegen die DemonstrantInnen nach kurzem Zögern um zwei Ecken in ein winziges Gäßchen ein. Hier - parallel zum Main, „Hinter der Schönen Aussicht“ heißt das Haus - staut sich der Zug.
Die Zentrale der NPD ist geschlossen, die Rolläden sind herabgelassen. Direkt vor der Tür parkt ein großer Lastwagen. Dahinter quetschen sich einige Mitglieder der Jüdischen Gemeinde gegen die Tür, unter ihnen der frischgebackene grüne Stadtverordnete Michael Brumlik. Sie schützen mit ihren Rücken den Eingang der Parteizentrale.
Davor streiten GewerkschafterInnen, Grüne und Autonome ob es bei dieser Demonstration Sachschaden geben darf oder nicht. Die Gemäßigten setzen sich durch, die Fäuste bleiben in der Tasche, die Steine dem Straßenbau erhalten. Der lange Zug läuft weiter durch die Innenstadt, über die Zeil und den Opernplatz bis zur Bockenheimer Warte. Dort hat er sein Ziel vor einem Zelt mit der Aufschrift: „Türkische Arbeiter im Hungerstreik“. Die beiden hungerstreikenden Männer waren von der Meßgerätefirma VDO entlassen worden, die ihr Zweigwerk in Frankfurt-Bockenheim ganz schließen will. Hier skandiert die auf rund 800 Menschen geschrumpfte Menge noch einmal herzhaft: „Nazis raus!“ und verläuft sich dann.
Für den gestrigen Abend hatte unter anderem der DGB zu einer weiteren Demonstration gegen die NPD aufgerufen, auch der voraussichtiche neue Oberbürgermeister kündigte an, mitzulaufen und eine Rede auf der Abschlußkundgebung vor dem Römer zu halten.
Heide Platen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen