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Mit Nummernschildern gegen die Intifada

Die ökonomischen Folgen des Palästinenseraufstandes: Der palästinensische Boykott israelischer Waren in Gaza und Westbank führte zu einem Exportrückgang von mehr als 30 Prozent / Tourismus sank um 12 Prozent / Forcierte Steuereintreibung durch Israel  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Auf runde 700 Millionen Dollar schätzte Kommunikationsminister Gad Yakobi am Wochenende die Kosten der Intifada, des Palästinenseraufstands in den besetzten Gebieten, für die israelische Wirtschaft. Im vergangenen Jahr, so Yakobi, der unter der alten Regierung Minister für wirtschaftliche Koordination war, sei das geplante Wirtschaftswachstum in Höhe von 2,3 Prozent ausgeblieben, und in diesem Jahr werde es nicht viel anders aussehen. Israel müsse bereit sein, aus den besetzten Gebieten abzuziehen, da die Beibehaltung des Status quo nicht nur die Wirtschaft des Landes ruiniere, sondern auch zu einer „schleichenden Annexion“ führen werde, die den palästinensischen Arabern bald eine Mehrheit im jüdischen Staat bescheren werde, so die politischen Schlußfolgerungen des Ministers, der Mitglied der Arbeiterpartei ist.

In der Tat weist die Bilanz für das Jahr 1988 ein stagnierendes Bruttosozialprodukt auf. Die industrielle und die landwirtschaftliche Produktion ist um drei beziehungsweise acht Prozent gesunken, der Bausektor, wo viele palästinensische Arbeiter beschäftigt sind, hat Einbußen um drei Prozent zu verzeichnen. Der Rückgang im Bereich des Tourismus, eine direkte Folge der Intifada, lag bei immerhin zwölf Prozent. Die Exporte Israels in die besetzten Gebiete, die über zwei Jahrzehnte den zweitgrößten Ausfuhrmarkt stellten, sanken angesichts eines palästinensischen Boykotts israelischer Waren um mehr als ein Drittel. Eine weitere Auswirkung des Aufstands betrifft die Zahl der Arbeitsstunden in der israelischen Industrie, die bis zu zehn Prozent gesunken ist. Angestiegen sind dafür die Militärausgaben. Die drei Prozent an Mehrausgaben sind hauptsächlich auf die verdreifachte Präsenz des Militärs in den besetzten Gebieten und die entsprechende Ausrüstung zurückzuführen.

Boykott, Streik

und Wirtschaftssanktionen

Doch es wäre falsch, nur die Folgen für die israelische Ökonomie zu berücksichtigen. Die wirtschaftliche Repression der Besatzungsmacht in der Westbank und dem Gazastreifen hat die Lebensbedingungen der dort lebenden 1,5 Millionen Palästinenser deutlich erschwert. Seit Beginn der Intifada war klar, daß ein langanhaltender Aufstand auch ökonomische Opfer bedeuten würde. Zu den Sreiks, Ausgangssperren, den fast vierhundert Toten und Massenfestnahmen, die oft auch Ernährer der Familien treffen, kommen israelische Sanktionen gegen die Landwirtschaft in der Westbank, die Verringerung der Exporte nach Jordanien und eine scharfe Beschneidung der Einfuhr von Bargeld in die besetzten Gebiete.

Die finanzielle Unsicherheit hat sich durch einen drastischen Kursverfall des jordanischen Dinars weiter verschärft. Forcierte israelische Steuereintreibungen unter der Bevölkerung gelten als Waffe, um dem Boykott der Steuerzahlungen und der Behörden der Besatzungsmacht entgegenzuwirken. Beispielsweise werden Lastwagen, die nach Gaza oder von dort nach Israel fahren, nicht nur einer Sicherheits-, sondern auch einer Steuerprüfung unterzogen. Fahrzeughalter, deren Zahlungen nicht auf dem neuesten Stand sind, werden aufgehalten, bis die Begleichung der Steuerschulden erfolgt beziehungsweise nachgewiesen ist. Bis dahin muß für beladene Transporter, die auf Parkplätzen an den Kontrollstellen abgestellt werden müssen, zusätzlich eine tägliche Parkgebühr entrichtet werden. Dazu kommen Zinsen, wenn die Steuern nicht sofort bezahlt werden. Sie betragen allmonatlich 500 pro 100 zu entrichten- der Schekel.

Auch ganze neue Formen der „Steuer“ wurden eingeführt: Autobesitzer wurden gezwungen, ihre Nummernschilder gegen eine hohe Gebühr auszuwechseln. Auch Eselskarren brauchen jetzt eine Zulassung und ein Nummernschild. Beides muß natürlich bezahlt werden. Wer neue Ausweise, Fahrzeugzulassungen oder ähnliches braucht, muß einen schriftlichen Bericht über Steuerzahlungen und andere Dokumente vorlegen. Das setzt mehr Kontakte mit israelischen Beamten voraus, die die entsprechenden Papiere ausstellen müssen. Es ist eine demütigende und zeitraubende Prozedur, die den Palästinensern beweisen soll, wer der Herr im Hause ist.

Kühe im Aufstand

Der wirtschaftliche Druck hat nicht zu einem Nachlassen des Aufstands geführt. Die Vereinigte Führung der Intifada und die Führer der islamischen Widerstandsbewegung Hamas haben kürzlich beide eine Lohnerhöhung um vierzig Prozent für palästinensische Arbeitskräfte gefordert und an die Bevölkerung appelliert, Brennstoff und Elektrizität zu sparen, Vorräte an Trockennahrung und örtlich produziertem Mehl anzulegen, statt israelische Waren zu kaufen. Viele palästinensische Familien leben nur noch von Brot und Olivenöl, aber kaum jemand beklagt sich.

Welch seltsame Blüten der Kampf auf dem Terrain der Wirtschaft treibt, zeigt das Beispiel der Milch. Israelische Produzenten haben sich beschwert, daß der palästinensische Boykott und die größere wirtschaftliche Unabhängigkeit in den besetzten Gebieten für den achtprozentigen Umsatzrückgang der Milchindustrie verantwortlich seien. Landwirte klagten, daß Bauern aus Westbank und Gazastreifen monatlich insgesamt 750 israelische Kühe erwerben würden. Der israelische Rat für Milchwirtschaft forderte schließlich die Landwirte auf, keine Kühe mehr an Palästinenser zu verkaufen: Statt dessen solle die Regierung einer Erhöhung der Fleischpreise zustimmen, damit das Vieh geschlachtet und in Israel verkauft werden kann, an statt den Palästinensern Milch zu liefern.

Israel sieht sich bei seinen repressiven Maßnahmen und ökonomischen Druckmitteln einem Dilemma gegenüber: Wie Verteidigungsminister Jizchak Rabin kürzlich bemerkte, muß Israel vermeiden, einen Zustand der totalen Verzweiflung herbeizuführen, da dies den Aufstand nur weiter anheizen werde. Auf der anderen Seite müßten jedoch Maßnahmen getroffen werden, „die die Palästinenser an die israelische Verwaltung binden“. Der palästinensische Wirtschaftswissenschaftler Samir Barghouti (Westbank) meint dazu, Israel habe „alles mögliche (getan), die wirtschaftliche Krise in den besetzten Gebieten zu eskalieren, um so zu versuchen, den Aufstand zu beenden. Es hat jedoch nichts genutzt. Das hat Minister Rabin neulich selbst in der Knesset zugegeben, wobei es immer Israels Politik war, die Wirtschaft als Waffe gegen die Intifada einzusetzen.“

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