: Neues Architekten-Vergnügen
■ „Berlin endet nicht bei 21 Metern Traufhöhe“, sagen Stadtplaner und Architekten und denken „tabulos“ über den neuen Trend zum Hochhaus in der City nach
Den ideologischen Überbau für die Bürotürme, die der heute abtretende CDU/FDP-Senat auf dem Victoria-Areal am Kranzler -Eck (Jahn/Murphy) und auf dem Kant-Dreieck gegenüber dem Theater des Westens (Kleihues) geplant hatte, hatten kritische Menschen im Publikum schnell mit den bekannten Argumenten „entlarvt“: konservativer Größenwahn, Konkurrenz mit Frankfurt, Chicago u.a, Repräsentation auf Kosten der gewachsenen Stadtgestalt.
Aber der Eindruck, den die Diskussion „Schreien wir wieder nach Hochhäusern? - Zur Problematik von Hochhäusern in der Berliner City“, veranstaltet von der Lessing - Hochschule, am Dienstag abend hinterließ, war mitnichten der, daß der neue Drang zum lange verpönten Hochhaus mit Diepgen, Starnick und Wittwer von der Stadtbildfläche verschwinden wird. Das öffentliche Interesse ist offenbar groß, der Saal im Amerika-Haus faßte das angerückte Publikum - die meisten vom Fach - nicht. Irgendetwas scheint die von der postmodernen Spielerei gelangweilten Planer wieder am Hochhaus so zu faszinieren, daß auch die Warnrufe „Märkisches Viertel! Gropiusstadt!“ nicht mehr verfangen. Es ist nicht primär der „Sachzwang“ zur „Verdichtung“ angesichts Zehntausender Wohnungssuchender in der beengten Stadt, der das Denken der Baukünstler wieder in die Höhe lenkt, bis in den „Grenzbereich zur Genickstarre“, wie Christian Boos kürzlich im SFB ätzte. Hohe Geschoßflächenzahlen ließen sich auch mit überbauten Hinterhöfen erreichen, winkte Rolf Rave, Architekt und Mitglied von Starnicks und Wittwers „Beirat für Stadtgestaltung“, vom Podium herab ab. Sein Nebenmann Christoph Langhoff, Architekt, forderte ebenfalls andere Verdichtungslösungen als Hochbauten, ohne freilich Antworten zu wissen.
'Bauwelt'-Chefredakteur Peter Rumpf gab zu Bedenken, daß das polyzentrische Berlin mit seinen vielen Bezirks-Cities, der noch vorhandene Wohnen/Arbeiten/Einkaufen-Mischung durch Akzentuierung einer City in seiner Struktur gefährdet und im Stadtbild „verwechselbar mit anderen Städten“ wird, wenn die historische Traufhöhe aufgegeben wird. „Das interessiert mich nicht - das Faszinierende an Berlin ist nicht die 21 Meter Traufhöhe“, raunzte Kleihues zurück, sondern die Intensität des Geisteslebens, dem in den 20er Jahren auch Mies van der Rohes Glasturm an der Friedrichstraße entsprungen sei, „emblematisch“ für diesen Geist. Im übrigen gebe es seit jener Zeit zwei Zentren, die heutigen Cities in Ost- und West-Berlin. Einwürfe aus dem Publikum über drohenden Verkehrskollaps als Folge der Verdichtung in der City, fehlende Bedarfsanalysen für Büroraum und hohe Baukosten machte Kleihues, der für seine 90-Meter-Riesen niedliche Namen findet („Turmhaus“, „Campanile“), mit einem unwiderlegbaren Argument zunichte.
„Die Auseinandersetzungen mit anderen Bauformen und Höhen haben mir einfach unglaubliches Vergnügen bereitet.“ Zusammen mit Raves Forderung, aus dem gegenwärtigen „Vakuum“ in einer offenen Diskussion tabulos etwas Neues zu entwickeln, ohne sich dauernd auf das überkommene „dominante Denken“ a la Steglitzer Kreisel zu beziehen, deutete an, daß das Denken der Berliner Stadtplaner und Architekten auch in den kommenden rot-grünen Jahren nicht bei der 21-Meter -Traufhöhe enden wird.
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