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Kohl meditiert - Basis drängt

■ Der Bundeskanzler schließt bei seinen Überlegungen „nichts aus“ / Kabinettsreform in Erwägung gezogen / CSU-Chef Waigel sieht keine Alternative zu Kohl / 'Bayernkurier‘ hält den Kanzler für mehr gefordert denn je

Hamburg (dpa) - Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) schließt bei den Überlegungen über eine Kabinettsreform als Folge der für seine Partei niederschmetternden Wahlergebnisse in Berlin und Hessen „nichts aus“. Kanzleramtschef Wolfgang Schäuble empfahl am Mittwoch bei einer Befragung der Regierung im Bundestag, Kohls Worte vom Vortag nicht zu interpretieren. „Wir sollten die Worte so nehmen, wie er sie gesagt hat“, meinte Schäuble auf eine Frage des SPD-Abgeordneten Wilfried Penner. Der Abgeordnete wollte wissen, ob Kohl sich selbst meine, wenn er darüber „meditiert“ habe, daß auch über personelle Änderungen nachzudenken sei.

Kohl hatte nach einer mehrstündigen Diskussion der CDU/CSU -Fraktion Dienstag abend vor der Presse erklärt, er sei von den Abgeordneten in der Sitzung nicht in Bedrängnis gebracht worden. Er denke an eine Kabinettsreform mit Veränderungen sowohl in der Struktur als auch bei Personen. FDP -Vorsitzender Otto Graf Lambsdorff sagte zu personellen Konsequenzen nach den letzten Wahlergebnissen, eine Kabinettsumbildung sei Sache des Kanzlers. „Wenn er mit uns darüber reden will, stehen wir zu einem Gespräch zur Verfügung.“ Eine Veränderung des FDP-Anteils im Kabinett käme nicht in Frage.

Die CSU will sich nach Worten ihres Vorsitzenden Theo Waigel nicht an einer Diskussion um die Person des Bundeskanzlers beteiligen. „Ich sehe niemanden, der sich gegenwärtig um die Position des CDU-Vorsitzenden und des Bundeskanzlers bewirbt, als den, der diese beiden Ämter innehat“, sagte Waigel in einem Interview zur Frage personeller Konsequenzen nach den Wahlschlappen der CDU.

Nach Ansicht des CSU-Organs 'Bayernkurier‘ ist Kohl wie kaum je zuvor in doppelter Eigenschaft als Kanzler wie auch als Vorsitzender gefordert. In Bonn müsse endlich überzeugend, glaubwürdig und vertrauengewinnend gehandelt werden, schrieb das Blatt am Mittwoch. Noch bestehe die Chance, die Dinge zum Besseren zu wenden und dafür zu sorgen, daß auch über 1990 hinaus die Union die bestimmende politische Kraft bleibe. Der „entschlossene Ruck nach vorn“ müsse aber endlich stattfinden.

Das CSU-Organ gab der SPD und den Grün-Alternativen wesentlich schuld am Aufkommen der Parteien am äußersten rechten Rand. Jede geschichtliche Erfahrung lehre, daß Extremismus von links und rechts einander bedingten. Wer wie die SPD den Linksradikalismus hochlobe, brauche sich nicht darüber zu wundern, daß es auf dem rechten Flügel eine entsprechende Antwort gebe.

Das Blatt griff erneut auch CDU-Generalsekretär Geißler an. Es sei ein dreistes Meisterstück der Tatsachenverdrehung, wenn Geißler dem Bundesinnenministerium und damit CSU -Minister Friedrich Zimmermann vorwerfe, sie hätten schon früher konkrete Maßnahmen zur Lösung der Asylproblematik ergreifen müssen. Selbst Geißler müsse wissen, daß die Lösungsvorschläge nur deshalb nicht weiterkämen, weil die FDP alle Vorhaben blockiere und es Geißlers Partei an der notwendigen Unterstützung fehlen lasse.

Der Vorsitzende der Landesgruppe Niedersachsen im Bundestag, Klaus-Jürgen Hedrich, sagte im Kölner 'Express‘, Geißler als Generalsekretär auszuwechseln, wäre das falsche Spiel. Geißler sei unverzichtbar. Der Bundeskanzler müsse jetzt das Steuer herumreißen, Führungskraft zeigen, Sachentscheidungen fällen und personell Zeichen setzen.

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